Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
immer nicht, sehe noch nicht einmal nach dem stechenden Schmerz in meinem Fuß.
Meine Augen starren, ohne zu blinzeln, auf das andere Ende von Mums verwelktem, fast totem Garten. Dort steht eine Gestalt in der Dunkelheit. Ihre Augen beobachten mich und scheinen zu glühen, scheinen den Abendnebel zu durchschneiden und direkt zu meinem Haus durchzudringen. Zu mir.
Der Nebel wird aufgewirbelt und steigt wie Rauch von einem Feuer um die Gestalt herum auf. Er lichtet sich und gibt den Blick frei auf ein Gesicht. Es ist Corbin, der da in der Dunkelheit steht, ein unverschämtes Grinsen auf den Lippen und offensichtlich unheimlich zufrieden mit sich selbst.
Meine Haut spannt sich an, meine Lunge zieht sich zusammen, schwillt an und vibriert vor Wärme, als sich meine Augen zu Schlitzen verengen. Ich weiß ganz genau, was dieses Grinsen zu bedeuten hat.
Er glaubt, er kann mich einfach so haben. Tamra und Cassian haben einander und ich bin beim Rudel in Ungnade gefallen – also bleibt mir keine andere Wahl, als den einzigen Draki zu nehmen, der mir Beachtung schenkt. Wer will mich denn schon? Richtig? Falsch.
In meiner Brust schwelt es. Er denkt wahrscheinlich, dass ich vor ihm auf die Knie falle und dankbar für jeden Brotkrumen bin, den er mir zuwirft, und dafür, dass er meine Rettung in meinem neuen, einsamen und düsteren Leben im Rudel ist.
Ich starre auf die verhüllte Gestalt, ziehe ruckartig an der Kordel und das Rouleau schließt sich mit einem lauten Rattern. Ich stelle mir vor, wie er immer noch dort steht und durch das Fenster in die Küche hereinstarrt, abwartend, beobachtend.
Es ist merkwürdig. Ich bin wieder zu Hause, an dem Ort, nach dem ich mich so sehr gesehnt habe. An dem mir kühler Nebel und frische Luft über die durstige Haut streichen. Aber es fühlt sich an, als wäre es noch immer eine tote Wüste, die mich umgibt. Und diesmal gibt es keinen Will, der mich wieder zum Leben erwecken könnte. Diesmal ist da gar nichts.
An diesem Abend vergewissere ich mich, dass mein Fenster richtig verriegelt ist. So eine Vorsichtsmaßnahme habe ich noch nie getroffen, noch nicht einmal in Chaparral, aber irgendetwas sagt mir, dass sie heute Abend nötig ist. Corbins glühende Augen haben sich in mein Gedächtnis eingebrannt.
8
D ie Tage ziehen vorbei, einer nach dem anderen, wie die Seiten eines Buches, die man geruhsam umblättert. Mein Leben entwickelt langsam eine Routine, doch gleichzeitig macht mir die Einsamkeit zu schaffen und nagt an meiner Seele.
In der Dämmerung gehe ich von der Arbeit nach Hause. Der Nebel ist dicht und das schwindende Sonnenlicht dringt nur mit Mühe hier und da durch die milchige Luft und zögert den Einbruch der Dunkelheit noch ein wenig hinaus.
Ich höre ihn bereits, bevor ich ihn sehe. Cassian taucht aus dem Nebel vor mir auf und seine Schritte auf dem Kiesboden hallen sanft wider. Wir bleiben beide stehen. Er wohnt am anderen Ende der Siedlung. Ich kann mir schon vorstellen, warum er hier unten ist. Ich weiß, wo er herkommt. Von dem Ort, an dem er neuerdings die meiste Zeit verbringt.
»Cassian«, begrüße ich ihn. Dabei verdrehe ich meine Finger, bis sie schmerzen und reibe an ihnen herum, als würde das Blut all der Fische, die ich heute ausgenommen habe, noch immer daran kleben.
»Jacinda. Wie geht es dir?« Er stellt die Frage in einem Tonfall, der nach einer höflichen Unterhaltung unter Bekannten klingt. Und vermutlich trifft das auch zu. Wir sind nicht mehr als Bekannte, seit er beschlossen hat, sich auf meine Schwester zu konzentrieren. Plötzlich kann ich seinen Anblick nicht mehr ertragen. Ich fühle mich benutzt und belogen. Er wollte nie wirklich mich. Er hat mich nie um meiner selbst willen geliebt.
Der Nebel streicht über mein Gesicht, als ich zu Cassian hochsehe und sich etwas in mir löst, wie die Schleife beim Öffnen eines Geschenks.
Cassian hat die Arme hinter dem Rücken verschränkt und starrt auf mich herunter. Als wäre er Severin oder ein anderer Älterer – und vermutlich ist er tatsächlich bereits dabei, einer von ihnen zu werden.
Meine Haut kribbelt vor Abscheu. Ich hasse es, dass er mich an die Älteren erinnert – an seinen Vater. Es ist eine ziemlich bittere Pille, nachdem er mich schon fast davon überzeugt hatte, dass er anders sei. Ich wollte ihm glauben. Das, was er in Chaparral zu mir gesagt hat, als er versucht hat, mich dazu zu bewegen, mit ihm nach Hause zu kommen, hallt in meinem Kopf wider.
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