Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
mich das berührt. »Sie wirkt glücklich.« Ich nicke einfach nur, denn das kann ich nicht abstreiten. Tamra hat wirklich glücklich ausgesehen. Schließlich hat sie jetzt Cassian. Warum sollte sie also nicht glücklich sein?
Nach einer Weile fügt Mum hinzu: »Heute war wenig los in der Klinik.«
»Na, das sind doch gute Neuigkeiten«, murmle ich und bin froh, dass Mum ihren Job in der Klinik nicht verloren hat. Als Verdadraki – oder ehemalige Verdadraki – ist sie aufgrund ihrer Fähigkeiten am besten dafür geeignet, den Kranken und Verwundeten zu helfen und die Medikamente und Umschläge herzustellen, die uns seit Generationen gesund halten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihr einfach willkürlich eine andere Aufgabe zuteilen würden. Das würde dem Rudel schaden.
»Ich habe alle Medikamente neu sortiert«, sagt sie eintönig. »Ich glaube fast, das hat niemand mehr gemacht, seit ich weg war.«
Ich nicke langsam, nehme allen Mut zusammen und gestehe: »Sie haben mir eine andere Aufgabe zugewiesen.« Hoffentlich klingt meine Stimme genauso gleichgültig wie ihre. Ich muss es ihr sagen. Sie würde es sowieso irgendwann herausfinden. Wenn sie es nicht von mir hört, hört sie es von jemand anders.
Ich warte darauf, dass sie eine Augenbraue hochzieht und in scharfem Ton fragt, warum sie das getan haben. Im Prinzip warte ich einfach darauf, dass sie die wachsame Mutter ist, die mich genauso in Schutz nimmt, wie sie das immer getan hat. Stattdessen klingt ihre Stimme hohl. »Du bist also nicht mehr in der Bibliothek?«
»Nein.« Ich nehme einen Bissen, kaue schnell und habe Angst vor dem, was ich gleich sagen werde. »Ich bin jetzt bei der Fleischertruppe.«
Sie blickt auf. »Bei der Fleischertruppe?«
»Ja.« Ich zerteile das Verdabeerenbrot in so viele kleine Stücke, dass am Ende fast nur noch Krümel davon übrig sind. »Sie haben noch Leute gebraucht.«
»Und wer hat dich für die Fleischertruppe eingeteilt?«, fragt sie ruhig.
Ich zucke halb mit den Schultern und bin sicher, dass sie jetzt auf jeden Fall die Fassung verlieren wird.
»Jabel.«
Nichts.
Mum ist eine ganze Weile lang ganz still und starrt mit gesenktem Blick auf ihren Teller. Dann steht sie vom Tisch auf und bringt ihr Geschirr in die Küche. Ich zucke innerlich zusammen, als sie es mit einem lauten Scheppern in die Spüle fallen lässt. Ich warte noch immer darauf, dass sie etwas sagt, dass sie etwas tut . Dass sie auf die andere Seite der Straße marschiert und sich mit Jabel, ihrer alten Freundin, anlegt. Ich kann fast hören, wie meine Mutter Jabel anbrüllt und wissen will, warum ihrer Tochter eine so niedere Tätigkeit zugeteilt wurde, die eigentlich nur denen zugewiesen wird, die später der Jagdgruppe des Rudels beitreten.
Das wäre meine Mutter, wie ich sie kenne. Das wäre typisch für sie.
Nichts. Ich lausche angestrengt auf ein Geräusch und höre, wie eine Flasche entkorkt und Wein eingeschenkt wird.
Ein paar Sekunden später taucht sie wieder auf und bleibt mit einem Glas in der Hand am Tisch stehen. Die dunkelgrüne Flüssigkeit schwappt beinah über. Sie starrt mich über den Rand des Glases hinweg an und nimmt einen tiefen Schluck Verdawein.
»Es wird alles gut werden«, sage ich, weil ich keine Ahnung habe, was ich sonst sagen soll. Sie verhält sich ganz und gar nicht wie die Mum, die ich kenne. »Ich habe Mist gebaut und jetzt müssen sie mich dafür bestrafen. Es wird sich schon alles wieder einrenken.«
Langsam nimmt sie einen weiteren Schluck und ihre Augen wirken trüb. »Ja. Wahrscheinlich hast du recht.« Dann verschwindet sie erneut in der Küche. Als sie wieder herauskommt, hat sie sich die ganze Flasche Verdawein unter den Arm geklemmt. Mein Blick folgt ihr, als sie den Flur hinunter ins Schlafzimmer geht. Mit einem Klicken fällt die Tür hinter ihr ins Schloss. Kurz darauf sind leise Stimmen aus dem Fernseher zu hören.
Eine Weile lang bleibe ich einfach am Tisch sitzen und sehe mich im Esszimmer um. Sehe drei leere Stühle. Schnell stehe ich auf, weil ich es nicht fertigbringe, auch nur einen Moment länger dort sitzen zu bleiben.
Ich nehme mein Geschirr und bringe es zur Spüle. Die Stille in der Küche ist so dick, dass man sie mit einem Messer schneiden könnte. Während ich abspüle, wandert mein Blick zum Fenster und ich unterdrücke einen Aufschrei. Eine Schüssel gleitet mir aus der Hand, prallt am Rand des Spülbeckens ab und zerspringt dann auf dem Boden. Ich bewege mich noch
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