Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
harre ich noch aus, setze mich hin, stehe schließlich wieder auf und gehe auf der nebligen Lichtung auf und ab, wo ich ihn zuletzt gesehen habe. Wo wir uns in den Armen gehalten und uns Träume und Versprechen ins Ohr geflüstert haben. Unmögliche Träume, doch noch habe ich Hoffnung.
Ich sehe mich um und mustere den Wald mit Argusaugen. Will kann jeden Moment aus dem Schatten heraus auf die Lichtung treten.
Ich weiß nicht genau, wann es mir auffällt, doch auf einmal werde ich ganz still, mache nicht den kleinsten Mucks und lausche konzentriert.
Es ist absolut ruhig um mich herum. Unnatürlich ruhig.
Ich bin nicht allein. Anspannung überfällt mich, als mir diese Tatsache plötzlich bewusst wird. Hier ist noch jemand anders.
Aufregung steigt in mir hoch wie Luftblasen. Ich fühle mich, als hätte ich gerade eine der sprudelnden Orangenlimonaden getrunken, die Dad mir immer auf unseren Ausflügen in die Stadt gekauft hat.
Will. Mit gierigem Blick suche ich die Bäume und Sträucher um mich herum ab – und dennoch hält mich irgendetwas davon ab, laut nach ihm zu rufen.
Die Stille hängt noch immer drohend über mir, so greifbar und so unheimlich wie ein lebendiges Wesen.
Und dann wird mir plötzlich klar, dass dieser Jemand da draußen nicht Will sein kann. Will hätte sich mittlerweile zu erkennen gegeben. Er würde mich nicht so hinhalten.
Ein Geräusch durchbricht die Stille. Eines, das nicht hierherzupassen scheint. Es ist kein Vogelruf und auch kein Windhauch, der die nebelverhüllten Bäume umspielt.
Es ist ein Zweig, der knackt. Nur ein Mal. Als würde sich jemand vorsichtig vortasten und dann stehen bleiben. Meine Augen fixieren das Blätterdickicht, aus dem der Laut kam.
»Wer ist da?«, frage ich schließlich.
Nichts.
Zahllose Möglichkeiten schießen mir durch den Kopf. Ist mir vielleicht jemand gefolgt? Corbin? Der Wachposten? Oder ist es etwa ein Jäger? Einer von Wills Verwandten?
Vermutlich ist es keine gute Idee, noch länger hier herumzustehen. Ich schlage mich durch die Bäume und laufe von der Lichtung und unserer Siedlung weg. Nur für den Fall, dass es ein Jäger ist … ich darf sie nicht auch noch geradewegs zum Rudel führen.
Da ist es wieder. Das Geräusch rhythmischer Schritte, die gleichmäßig meinem Takt folgen. Froh darüber, dass ich doch nicht unter Verfolgungswahn leide, konzentriere ich mich darauf, meinen Verfolger abzuhängen. Wer auch immer es ist, er ist mir jedenfalls nicht wohlgesonnen. Andernfalls hätte er sich längst zu erkennen gegeben.
Meine Haut brennt. Hastig laufe ich tiefer und tiefer in den Wald hinein. Mein Herz pocht bei jedem Schritt.
Während ich durch das hohe Gras stapfe, frage ich mich, wie ein Tag, der so verheißungsvoll begonnen hat, derart schieflaufen konnte. Eigentlich sollte ich jetzt bereits in Wills Armen liegen, aber stattdessen spiele ich hier Katz und Maus mit einem Unbekannten. Die schneebedeckten Kuppen der Berge lugen hier und da durch das Astgeflecht.
Schließlich bin ich es leid, mich wie ein Beutetier zu fühlen, mache auf dem Absatz kehrt und rufe: »Komm endlich raus! Ich weiß, dass du da bist.«
Keine Antwort.
Ich suche die Bäume mit den Augen ab. Dann sehe ich sie. Eine Gestalt tritt hinter einem Baum hervor.
»Miram«, stoße ich halb erleichtert, halb wütend aus. Vermutlich sollte ich dankbar dafür sein, dass sie sich mir gezeigt hat – schließlich hätte sie sich ja auch weiterhin verstecken können.
»Ich dachte schon, du würdest nie stehen bleiben. Was machst du überhaupt hier draußen?«, will sie wissen. Sie hat eine Hand in die Hüfte gestützt und sieht sich erwartungsvoll um. »Triffst du dich etwa hier mit jemandem?«
»Nein«, sage ich schnell.
»Aber warum hast du dich dann rausgeschlichen?«
»Ich habe einfach ein bisschen Zeit für mich gebraucht.« Ich mustere sie von Kopf bis Fuß. »Damit ist es ja jetzt wohl vorbei.«
Sie legt den Kopf schief und sagt unverblümt: »Ich glaube dir nicht.«
Ich versuche, unschuldig zu wirken. Hoffentlich funktioniert es. »Und warum nicht?«
Sie grinst breit und zieht etwas aus ihrer Hosentasche. Ich brauche ein paar Sekunden, um zu erkennen, was sie da in der Hand hält. Papier. Zwei zusammengefaltete Blätter Papier.
»Meine Briefe«, sage ich wie betäubt. »Du hast dich in mein Haus geschlichen? In mein Zimmer?«
Sie wedelt mit den Briefen. »Ziemlich oft sogar. Ist echt der Wahnsinn, ich bekomme Dinge mit, von denen sonst niemand was
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