Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
nichts erkennen. »Bestell Nidia schöne Grüße von mir.«
Dann verschwindet er und ich mache mich wieder auf den Weg zu Nidia, überzeugter denn je, dass ich unbedingt von hier wegmuss.
Der diensthabende Wachposten ist diesmal nicht Levin. Zu meinem Pech wirkt der jetzige so, als würde er seinen Job wirklich ernst nehmen – er starrt mich sogar durchdringend an, als ich an Nidias Tür klopfe, während ich fieberhaft nach einer Möglichkeit suche, an ihm vorbeizukommen, um mich mit Will zu treffen.
Ich klopfe noch einmal. Keine Antwort. Mit seinem Blick im Rücken drehe ich mich um und gehe wieder zurück in Richtung Stadtzentrum. Sobald ich außer Sichtweite bin, schlage ich mich scharf links in die Büsche. Mit laut pochendem Herzen bahne ich mir einen Weg durch das Blätterdickicht, das sich über die Rückseiten mehrerer Häuser und bis hinter Nidias Anwesen erstreckt.
Ich sehe mich ausgiebig nach allen Seiten um und vergewissere mich, dass niemand in der Nähe ist, bevor ich in Windeseile meine Klamotten ausziehe. Ich atme tief ein und entspanne mich. Das vertraute Ziehen in meiner Brust setzt ein und Wärme steigt in mir hoch. Feuchte Luft umhüllt mich und nährt meinen inneren Draki.
Mein menschliches Äußeres zieht sich zurück, als sich die Haut in meinem Gesicht anspannt und meine Wangen kantiger und länger werden … und ich mich verwandle. Mein Atem verändert sich, wird tiefer und heißer, als die Grate aus meinem Nasenrücken wachsen. Meine Muskeln entspannen und verlängern sich. Ich neige den Kopf, strecke mein Gesicht in den Himmel und genieße den feuchten Wind auf meiner Haut.
Meine Flügel schieben sich heraus. Ich seufze, als sie sich mit einem sanften Flüstern entfalten und die Freiheit genießen. Meine Drakihaut schimmert feurig golden im Licht der wenigen Sonnenstrahlen, die den nachmittäglichen Nebel durchbrechen.
Ich sammle meine Klamotten ein, stopfe sie in meinen Rucksack und blicke anklagend auf die mit Efeu bewachsene Mauer. Ich kann sie nicht mehr sehen. Ich habe es satt, in einem Käfig zu leben. Ich schlinge mir den Träger meines Rucksacks ums Handgelenk und mache mich bereit.
Mit einer behänden Bewegung springe ich hoch und überwinde die Siedlungsmauer.
Da ich mich bereits verwandelt habe, lande ich erst gar nicht. Ich tauche in die Wälder ein, sause durch die Luft, umrunde Bäume. Ich entferne mich nicht zu weit. Nur weit genug, um das Rudel hinter mir zu lassen.
Triumphierend setze ich auf dem Boden auf und strecke genüsslich meine Flügel aus, die wie zwei große Segel hinter meinem Rücken thronen.
Ich lande auf meinen Fußballen, verstecke mich hinter einem großen Baum und verwandle mich zurück. Meine Flügel klappen sich ein und ich klemme sie tief zwischen meine Schulterblätter.
Ich atme schwer, aber nicht vor Erschöpfung. Ich bin für wesentlich größere Anstrengung gebaut. Das hier ist pures Adrenalin. Angst und Aufregung durchzucken mich und brodeln in meinen Adern.
Schnell ziehe ich mich an, stecke meine Beine ungeschickt in meine Shorts und lausche die ganze Zeit auf eine Sirene in der Ferne … ein Anzeichen dafür, dass ich beim Verlassen der Siedlung erwischt wurde. Nichts.
Nach einer Weile wird mein Atem ruhiger. Ich habe es geschafft. Ich habe mich unbemerkt davongestohlen.
Ich schultere meinen Rucksack, drücke mich von dem Baum ab und mache mich auf den Weg zur Lichtung. Zu Will.
16
E s ist schon viel zu viel Zeit vergangen. Ich starre hinauf in die Bäume, luge durch die Äste und sauge gierig jeden Sonnenstrahl auf, der durch das Blätterdach fällt. Das wenige Licht, das auf meine menschliche Haut trifft, wirkt ganz anders, als wenn sich die Sonne auf meiner Drakihaut spiegelt und man glaubt, es tanzten zuckende Flammen über meinen Körper – gerade ist nicht mehr als ein matter Schein zu erkennen.
Vögel zwitschern und scheinen sich angeregt zu unterhalten. Der Wind pfeift leise durch die hoch aufragenden Bäume.
Will, wo bist du?
Fröstelnd reibe ich mit den Händen über meine Arme. Jetzt ist schon fast eine Stunde vergangen und ich warte noch immer. Während meine Hoffnung nach und nach schwindet, schleicht sich langsam ein Gefühl der Niedergeschlagenheit in mein Herz. Er wird nicht kommen.
Es wird nicht mehr lange dauern, bis den Leuten in der Siedlung auffällt, dass ich verschwunden bin. Wenn er nicht bald kommt … Ich kann nicht viel länger hierbleiben. Es sei denn, ich will erwischt werden.
Eine Zeit lang
Weitere Kostenlose Bücher