Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
leiseste Geräusch. Ich seufze und wende mich wieder den Briefen zu, in der Hoffnung, dass diese andauernde Unruhe, dieses Gefühl, ständig beobachtet zu werden, endlich aufhören wird, wenn ich von hier weg bin.
Beide Briefe sind kurz und ohne lange Umschweife. Ich sage Mum und Tamra, wie sehr ich sie liebe und wie sehr ich sie vermissen werde. Ich bitte sie, sich keine Sorgen um mich zu machen, und sage ihnen, dass ich mein Glück selbst in die Hand nehme und dass ich hoffe, dass sie das tun.
Mit brennenden Augen streiche ich über die Briefe und das Papier zerknittert unter meinen Fingern. Ich sage nicht, wohin ich gehe – oder mit wem. Aber sie werden es sowieso wissen. Sie werden zwischen den Zeilen lesen können. Und ich hoffe, dass sie mich verstehen. Ich richte mich auf und nehme meinen Rucksack vom Boden. Ich sehe mich ein letztes Mal kurz in meinem Kinderzimmer um und lasse damit alles hinter mir.
»Wohin willst du denn so eilig?« Einen Augenblick lang überlege ich so zu tun, als hätte ich Corbin nicht hinter mir herrufen hören. In letzter Zeit habe ich es ganz gut geschafft, ihm aus dem Weg zu gehen. »Jacinda! Warte.«
Seufzend bleibe ich stehen. Ich sollte es zumindest so aussehen lassen, als würde ich versuchen, mich wieder ans Leben im Rudel zu gewöhnen, und mit ihm sprechen. Anstatt es wie die hastige Flucht wirken zu lassen, die es ist.
Ich wende mich Corbin zu. »Zu Nidia.«
»Tamra ist nicht da. Sie arbeitet draußen auf dem Flugplatz. Wir können zu ihr gehen, wenn du willst.«
»Ich bin nicht in der Stimmung«, antworte ich, drehe mich um und gehe weiter in Richtung Nidias Haus. Es ist schon fast Mittag.
Aber Corbin weicht mir nicht von der Seite.
Mir wird klar, dass ich vielleicht wirklich zu Nidia gehen muss, damit meine Geschichte nicht auffliegt, wenn er nicht bald verschwindet. Nicht, dass ich überhaupt einen Plan habe, wie ich an dem diensthabenden Wachposten vorbeikommen könnte. Ich vertraue einfach darauf, dass mir schon irgendeine Lösung einfallen wird.
»Wollen wir später zusammen ins Freizeitzentrum gehen?«, fragt Corbin, als läge das durchaus im Bereich des Möglichen. Als wäre ich ihm gegenüber nachgiebiger geworden.
»Nein danke.«
»Jacinda, wann wirst du endlich aufhören, einen auf unnahbar zu machen?«
Ich gehe weiter. Mein Ärger ist an jedem ausladenden Schritt deutlich zu erkennen. »Ich mache gar nichts.«
»Na ja, irgendwann wirst du so oder so mit jemandem verheiratet werden.«
Meine Haut spannt und kribbelt bei diesen Worten. Weil er wahrscheinlich recht hat. Das Rudel wird mir nicht erlauben, noch viele Jahre länger unverheiratet zu bleiben. Entweder suche ich mir selbst jemanden aus – mit Severins Zustimmung, natürlich – oder mir wird jemand zugeteilt werden. Noch ein Grund, das Rudel so weit wie möglich hinter mir zu lassen.
»Cassian wird nicht –«
»Cassian ist mir egal«, fauche ich und hasse es, wie rot ich bei dieser offensichtlichen Lüge werde.
Er spukt mir schon die ganze Zeit im Kopf herum, seitdem ich wieder hier bin. Genau wie Will.
Ich habe Cassian unrecht getan. Er will mich nicht nur, weil ich der begehrte Feuerspeier des Rudels bin. Es ist nicht so, wie ich immer gedacht habe. Wenn es so wäre, würde er Tamra wollen, meine Zwillingsschwester und jetzt eine Draki von ebenso hohem, wenn nicht sogar höherem Rang als meinem.
So unmöglich es auch klingt, Cassian will anscheinend wirklich mich. Um meinetwillen.
Dieser Gedanke macht mich wütend. Mein Herz gehört Will. Ich kann jetzt wirklich nicht gebrauchen, dass Cassian alles noch zusätzlich verkompliziert … und das erschwert, was eigentlich ganz einfach sein sollte. Warum kann er nicht einfach an Tamra interessiert sein?
Bilder von Will und Cassian haben sich in meinem Kopf zu einem unentwirrbaren Knäuel verheddert. Aber heute ist Schluss damit. Heute treffe ich meine Wahl.
Corbin bleibt stehen. Ich bleibe ebenfalls stehen und sehe ihm mit der Eiseskälte ins Gesicht, die ich bei seinem Anblick verspüre.
»Freut mich zu hören, dass dir Cassian egal ist«, verkündet er. »Das bedeutet ja dann, dass uns beiden nichts mehr im Weg steht.«
Ich schüttle den Kopf. »Corbin, du und ich, wir werden nie und nimmer zusammenkommen. Niemals.«
»Das werden wir ja sehen«, murmelt er mit einem verschlagenen Lächeln, als wüsste er mehr als ich. Er blickt über meine Schulter hinweg, als würde er dort irgendetwas sehen. Ich folge seinem Blick, kann aber
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