Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
Stimme klingt hart und gefühllos. Ich kann den bitteren Gedanken nicht aus meinem Kopf verbannen: Natürlich wird er mit keinem Wort erwähnen, dass er derjenige war, der Miram dazu angestiftet hat, mir hinterherzuspionieren.
»Diese Regeln dienen der Sicherheit und dem Erhalt unseres Rudels. Dem Schutz unserer Art. Wenn einer von uns sich als über diese Regeln erhaben betrachtet, bringt er uns damit alle in Gefahr.«
Ich stehe mit geradem Rückgrat da und blicke in die Menge meiner Mitbürger. Ihre Gesichter wirken so gespannt, so … erwartungsvoll. Sie wissen, dass hier gleich eine große Sache passieren wird, und sie lechzen danach. Jeder Einzelne von ihnen. Ich blicke in die vertrauten Gesichter meiner alten Freunde, Nachbarn und Lehrer. Auf einmal wirken sie alle sehr fremd. Ich sehne mich nach jemandem, der mir das Herz leichter macht. Jemand, der hier keinen Platz hat. Will.
Severin fährt fort: »Und genau das ist vorgefallen. Wir haben Miram, meine eigene Tochter, für immer verloren. Während ich hier stehe, ist sie den Enkros auf Gedeih und Verderb ausgeliefert und erleidet unbeschreibliche Grausamkeiten. Jacinda muss für ihre Schuld an allem büßen.«
Bei diesen Worten geht ein lautes Raunen durch die Menge, das ich als Zustimmung interpretiere. Ich schlucke mühevoll, blicke standhaft geradeaus und vermeide es, Tamra und Mum anzusehen, Az … Cassian.
Mein Körper steht vollkommen unter Strom, als ich auf das endgültige Urteil warte. Ich weiß, dass ich darum nicht herumkomme. Diesmal werden sie nicht Gnade vor Recht ergehen lassen. Nicht noch einmal. Severin hat mein Schicksal bestimmt.
Ich lache gequält und halbherzig. Wem mache ich hier eigentlich etwas vor? Seine Entscheidung ist bereits in dem Augenblick gefallen, als ich ohne Miram zurückgekehrt bin.
Dennoch lässt mich die Urteilsverkündung aufschrecken.
»Wir haben keine andere Wahl, als jedem Draki, dessen wiederholte Regelverstöße uns alle in Gefahr bringen, die Flügel zu stutzen.« Mit einer ausladenden Geste zeigt Severin auf mich. »Gemäß unserer Traditionen verwirkt jeder Draki, der das Rudel in Gefahr bringt, so lange wie nötig sein Recht darauf, fliegen zu können.« Auf einmal wird es so still im Raum, dass ich regelrecht hören kann, wie mir das Blut in den Kopf schießt.
So lange wie nötig. Soll heißen: So lange, wie es dauert, bis meine Flügel vollständig verheilt sind. Wenn sie überhaupt jemals wieder ganz verheilen. Manchmal heilen beschädigte oder verletzte Flügel nicht richtig und der betroffene Draki bleibt zeit seines Lebens ein Krüppel.
Plötzlich durchbricht Tamra die Stille. Ihre schrille Stimme hallt in dem Saal wider. »Nein! Nein! Das könnt ihr nicht machen!« Ihr Gesicht ist so rot, wie ich es nicht mehr gesehen habe, seit sie sich zum ersten Mal verwandelt hat. »Das ist doch barbarisch! Lasst sie gefälligst in Ruhe. Das hat überhaupt nichts mit Gerechtigkeit zu tun.«
Die Farbe weicht aus Mums Gesicht, als sie einen Arm um Tamra legt, sie zurückhält und daran hindert, die Stufen zu mir heraufzupreschen. Einen Moment lang wehrt sich Tamra dagegen und vergräbt dann ihr Gesicht an Mums Schulter.
Mums Augen wirken jetzt nicht mehr leblos, nicht mehr leer. Aber jetzt wünschte ich fast, sie würden es. Es wäre besser als das, was jetzt darin zu sehen ist: Qualen und Schmerz.
Severin ignoriert Tamras Wutausbruch und nur ein winziges Zucken in seiner Wange verrät, dass er überhaupt gehört hat, was sie gesagt hat – oder dass es ihm nicht gefallen hat. Hier geht es immerhin um Tamra, die neue Wächterin. Er braucht sie noch und wird ihr diesen Zwischenfall verzeihen.
Sein nächster Befehl sticht mir ins Herz wie ein Dolch.
»Und Zara muss sich ihrer Verantwortung ebenfalls stellen.« Severin blickt zu den Älteren, als könnten sie etwas dagegen einwenden, dass er meine Mutter mit in die Sache hineinzieht. Dann fügt er hinzu: »Wir sind zu dem Schluss gekommen, dass Zara ihren Pflichten als Mutter und ihrer Verantwortung gegenüber ihrem Kind und dem Rudel nicht mehr gerecht werden kann.«
Das habe ich nicht erwartet.
»Was?«, rufe ich und blicke entsetzt zu meiner Mutter, die hellwach und aufmerksam zuhört.
Mit eintöniger Stimme fährt Severin fort: »Sie wird mit sofortiger Wirkung verbannt und muss die Rudelsiedlung unverzüglich verlassen. Von heute an gilt sie nicht mehr als Draki und ist gezwungen, in der Menschenwelt ihr Auskommen zu finden.« Ein spöttisches
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