Firelight 2 - Flammende Träne (German Edition)
nicht tot?«
Will schweigt lange und ich halte den Atem an. Schließlich antwortet er: »Nein, sie ist noch am Leben.«
Etwas huscht über Cassians Gesicht. Ein Leuchten, das gerade eben noch nicht da war. Ich kann seine Erleichterung spüren. »Dann komme ich mit.«
»Was?«, ruft Tamra entsetzt und rennt hinter ihm her, als er sich auf den Weg zum Wagen macht. »Wohl kaum!«
»Sie ist schließlich meine Schwester«, erwidert er einsilbig.
Hilflos wirft Tamra mir und Will einen flehenden Blick zu: Lasst ihn nicht mitkommen.
»Es wird ziemlich gefährlich werden«, warne ich ihn.
»Jacinda«, faucht Tamra.
Cassian sieht mich wortlos an und mir wird klar, dass die Aussicht auf Gefahr ihn nicht im Mindesten abschreckt.
Ich drehe mich zu Will um und warte darauf, dass er die Entscheidung trifft. Er führt schließlich diese Expedition an. Mein Daumen beschreibt kleine Kreise innen auf seinem Handgelenk. Er drückt meine Hand einmal kurz, geht dann vor zum Auto und führt mich zur Beifahrertür. »Wir sollten zusehen, dass wir von hier verschwinden.«
Cassian nickt grimmig und klettert auf die Rückbank des Landrovers. Tamra murrt, steigt aber ebenfalls ein und rückt so weit von ihm ab wie nur irgend möglich.
Will lässt den Motor an und legt seine Hand auf meine, als er uns von der Lichtung wegbringt. Ich verschränke meine Finger mit seinen und bemerke ein paar violette Blutspritzer auf seinen Knöcheln. Ich weiß nicht, ob es sein Blut ist oder Corbins, aber der Anblick versetzt mir einen Stich.
Ich löse meinen Blick von dem Blut und sehe stattdessen Will an, schaue in diese hell leuchtenden und unergründlich tiefen Augen. Und sage mir, dass das hier das Richtige ist. Will. Ich. Wir – zusammen auf dieser Reise.
Wenig später sind wir auf der Straße, eine ungewöhnliche, vierköpfige Gruppe, die den Berg hinunterfährt und den dünner werdenden Nebel durchschneidet … Nidias Schutzschild verschwindet nach und nach, je weiter wir ins Tal kommen.
Weg vom Rudel.
27
D as letzte Mal, als ich aus dem Rudel geflohen bin, habe ich nur Verzweiflung gespürt. Eine tiefe Traurigkeit darüber, dass ich nie wieder heil und ganz sein würde. Dass ich ohne das Rudel gar nichts sein würde. Damals bin ich nicht aus freien Stücken geflohen, sondern weil Mum mich einfach mitgenommen hat.
Dieses Mal ist alles anders. Jetzt bin ich es, die versucht zu entkommen. Ich. Freiwillig. So schnell wie möglich. Ohne das Rudel bin ich frei. So heil und froh wie seit Wochen nicht. Hoffnung brennt hell in meinem Herzen.
Will und ich halten Händchen. Cassian und Tamra auf dem Rücksitz sagen kein Wort. Anspannung so dicht wie die Nebel, die wir hinter uns gelassen haben, hüllt uns alle vier ein.
Ich spüre Cassian, der hinter mir sitzt. Wut und verbissene Entschlossenheit strömen von ihm aus und mischen sich unter die Zuversicht in meinem Herzen. Ich konzentriere mich auf meine eigenen Gefühle und versuche, Cassians von mir wegzuschieben.
Ich sehe hinunter auf Wills Hand, die auf meiner liegt. Sie ist so kräftig. Ich erinnere mich daran, wie verblüfft Corbin darüber war, dass Will so stark ist, und lasse mir diese Tatsache durch den Kopf gehen. Es hatte vorher schon Anzeichen dafür gegeben. Als er auf dem Big Rock mit Cassian gekämpft hat, konnte er durchaus mithalten. Ich habe das auf sein Training zurückgeführt, aber jetzt bin ich mir da nicht mehr so sicher. Nicht nach dem, was heute passiert ist. Nicht nach dem, was er mit der Erde gemacht hat.
War es vielleicht möglich, dass Will durch die Bluttransfusionen irgendwie die Gaben mehrerer Drakis in sich vereint? Die Stärke eines Onyxdraki und die Macht, die Erddrakis über die Natur haben? Es klingt vielleicht weit hergeholt … aber ich weiß, was ich gesehen habe. Er konnte die Erde beeinflussen, genau wie ein Erddraki. Das habe ich mir nicht eingebildet.
Tamra hat es auch mitbekommen. Es muss alles an dem Blut liegen, eine andere Erklärung gibt es dafür nicht. Seine Erinnerungen können nicht gelöscht werden, er hat Macht über die Natur … Es gibt keinen Draki, der all diese Gaben in sich vereint. Und ich frage mich, was da wohl noch so alles in ihm schlummert. In seinem Blut.
Ich will mit ihm darüber sprechen, aber unter vier Augen. Ich weiß, was Cassian über Wills Blut denkt, und will nicht, dass er von meiner Vermutung erfährt, dass Will durch die Transfusionen vielleicht mehr als nur eine Überlebenschance bekommen hat.
Ich lasse mir
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