Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
helfen. Sie fühlt sich dünner an, als ich sie in Erinnerung habe. Wahrscheinlich bringt das eine längere Gefangenschaft mit sich. Ich stelle mir vor, was sie alles ertragen musste, und der Gedanke daran versetzt mir einen Stich ins Herz. Und jetzt auch noch das. Cassian zu verlieren. So war das nicht gedacht. Ich hätte mir nie träumen lassen, dass etwas derart Schreckliches geschehen würde. Ich streichle ihren Arm. Wir setzen uns alle in Bewegung und folgen Will.
»Es tut mir leid«, flüstert Lia und quetscht sich neben mich in den engen Raum. »Ich hätte ihn nicht freilassen sollen. Ich konnte nur einfach den Gedanken nicht ertragen, dass …«
Mit einer Handbewegung bedeute ich ihr, still zu sein. Es ist nicht ihre Schuld. Ich hätte sie aufhalten können. Doch ich habe mich von Mitleid blenden lassen. So dumm werde ich nicht noch einmal sein.
»Jacinda?« Tamra sieht mich fragend an und blickt dann hinter uns. »Cassian?«
»Wir können ihn nicht retten«, antworte ich mit zusammengebissenen Zähnen und zucke zusammen, als Miram wieder zu weinen anfängt.
Ich blicke ein letztes Mal hinter uns auf die Stelle, an der noch immer Staub durch die Luft wirbelt. Miram kann es offensichtlich nicht fassen. Sie ist vollkommen zerrissen und versucht, irgendwie zu verstehen, was mir bereits zur Gewissheit geworden ist. Wir haben Cassian für immer verloren.
Ich öffne den Mund, um ihr zu sagen, dass wir nichts mehr tun können, als mich plötzlich ein brennender Schmerz durchzuckt und fast in die Knie zwingt. Ich lasse Miram los und krache nach Luft schnappend gegen die raue Wand.
Tamra streckt die Hand nach mir aus. »Jacinda? Was ist los?«
Cassian. Es ist Cassian.
Miram blickt mich mit großen Augen an und ihr Entsetzen ist so greifbar wie die umherschwebenden Staubpartikel. Ich presse die Lippen aufeinander, als ein brennend heißer Schmerz in meiner Brust aufflammt und sie fast zum Explodieren bringt.
»Jace, was ist denn?« Sorgenfalten graben sich in die glatte Haut von Tamras Gesicht.
Ich schüttle den Kopf und schlucke einen Schmerzensschrei hinunter.
Ich werde ihr definitiv nicht erzählen, was ich weiß: Dass Cassian irgendwo von einem teuflischen Draki verletzt und gefoltert wird. Dass ich es spüren kann.
Sosehr sie Cassian auch nicht ausstehen kann, so gibt es doch eine Vergangenheit, der sie nicht entfliehen kann. Eine Vergangenheit voller Gefühle und Sehnsucht, voller Wünsche und Enttäuschungen. Sie würde nicht wollen, dass man ihn verletzt, dass man ihn … umbringt . Außerdem will ich nicht, dass Miram mitbekommt, was da gerade hinter dem Erdwall vor sich geht, und sich am Ende vielleicht sogar weigert, mit uns zu fliehen. Cassian würde wollen, dass ich seine Schwester in Sicherheit bringe. Ich darf nicht zulassen, dass das alles hier umsonst war.
Ich zwinge mich dazu, mich zu bewegen, und versuche, so zu tun, als spürte ich keinen Schmerz, als ließe ich nicht ein Stück von mir hier zurück. »Alles in Ordnung. Lasst uns gehen.«
Ein paar Meter vor uns arbeitet Will weiter daran, uns in die Freiheit zu führen. Stück für Stück gräbt er mit seinen neu gewonnenen Kräften den Tunnel durch das Erdreich. Wir kämpfen gegen den aufgewirbelten Staub und die Splitterteilchen an und folgen ihm in einigen Schritten Abstand.
Ich starre auf Wills Rücken und versuche, ihm keine Schuld zu geben. Versuche, nicht wütend auf ihn zu sein. Es ist ein harter Kampf. Nach mehreren Minuten spüre ich, dass er müde wird, aber er lässt nicht nach. Gibt nicht auf. Das bringt er nicht fertig, das weiß ich von allen hier am besten. Er macht einfach weiter und schiebt unablässig unter lautem Tosen das Erdreich zur Seite. Ich überlege, ob ich ihn fragen soll, ob er weiß, in welche Richtung er sich bewegt. Was, wenn wir am Ende direkt in der Mitte der Stadt herauskommen? Das wäre ziemlich unangenehm.
Bei dieser Vorstellung muss ich fast lachen. Aber das tue ich nicht – schließlich könnte uns das wirklich blühen. Und es besteht immer noch die Möglichkeit, dass wir es nicht hier rausschaffen. Es besteht immer noch die Möglichkeit, dass wir sterben . Und sogar wenn Will keine Ahnung hat, wo wir an die Oberfläche stoßen werden, kann er jetzt nicht einfach aufhören. Es gibt kein Zurück. Hinter uns liegt nur der Tod. Also sage ich nichts und vertraue darauf, dass er uns schon irgendwie aus dieser Hölle hinausführen wird.
8
I ch bin mir nicht sicher, wie lange wir bereits unterwegs
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