Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
könnte. Wir atmen alle kollektiv auf, als das Geräusch schwirrender Rotorblätter wieder schwächer wird und dann ganz verklingt.
Cassians ohnehin schon kaum erträgliche Schmerzen nehmen noch zu und seine Angst schmeckt so bitter, dass sie meinen ganzen Mund überflutet und ich zur Seite sinke. Ich kann an nichts anderes mehr denken, nichts anderes mehr spüren. Ein eisiges Brennen durchdringt meinen Körper. Ich fauche und bäume mich auf. Ich schmettere meine Fäuste mit aller Kraft nach unten und presse meine Knöchel gegen den stahlharten Boden. Doch auch dieser Druck kann mir keine Erleichterung verschaffen.
»Jacinda? Was ist denn bloß los?«, schreit Tamra und ihre Worte dringen wie durch Watte an mein Ohr.
Ein weiterer Hubschrauber fliegt über uns hinweg, erst betäubend laut, dann wieder leiser werdend, bis sich sein Knattern in der Ferne verliert.
»Cassian«, quetsche ich hervor.
Es ist nicht der graue Draki, der ihm das antut. Das spüre ich mit großer Gewissheit. Irgendetwas anderes hat ihn im Griff … ist in seiner Nähe. Seine Angst schmeckt jetzt anders … schärfer, beißender.
Ich schließe die Augen, als meine Schmerzen – seine Schmerzen – in etwas anderes umschwenken.
Furcht überkommt uns. Ich rolle mich zu einer kleinen Kugel zusammen und schlinge die Arme um mich, so fest ich kann.
Und plötzlich geht es mir gut. Es geht mir gut. Aber ihm nicht. Cassian geht es nicht gut. Ich weiß nicht mehr, was mit ihm ist. Er ist plötzlich weg. Einfach so, und ich kann ihn nicht mehr spüren.
Wie ein Seil, das durchtrennt wird. Da ist gar nichts mehr. Keine Verbindung. Kein Cassian. Die Entfernung kann uns nicht getrennt haben, so weit sind wir noch nicht von dem Hauptquartier der Enkros weg. Meine rasenden Gedanken summen in meinen Ohren. Ich suche in mir, jage nach Stücken von ihm, irgendeinem Beweis dafür, dass er noch da ist. Hier bei mir. Doch da ist nichts.
Kein Cassian.
Mit einem Ruck schnelle ich hoch und brülle keuchend seinen Namen: »Cassian!«
Stunden später fahren wir rechts ran.
Ich habe aufgehört zu schreien, weil mir bewusst geworden ist, dass ich die anderen damit ängstige. Ich kann mir nicht vorstellen, was Will hinter dem Lenkrad gedacht haben muss, als er mich so schreien gehört hat. Jetzt habe ich einfach wieder die Arme um die Knie geschlungen und wiege mich hin und her wie ein Kind, das Trost braucht. Und genau das bin ich auch. In vielerlei Hinsicht. Von Anfang an ist Cassian immer da gewesen. Sogar in Chaparral, als er nicht körperlich anwesend war, war er irgendwie immer da, wie ein Gespenst. Und dann ist er tatsächlich aufgetaucht – er ist nie verschwunden, auch wenn ich das wollte. Er hat immer auf mich aufgepasst. Und jetzt ist er weg.
Tamra versucht, mich zu trösten, aber ich bringe es kaum fertig, mit den anderen zu reden. Besonders nicht mit Miram. Wie kann ich sie ansehen und ihr die Gewissheit, die ich jetzt habe, ins Gesicht sagen? Dass Cassian nicht mehr da ist. Dass er tot ist.
Irgendwann spricht Tamra flüsternd mit ihr und erklärt ihr, dass Cassian und ich im Rudel dazu gezwungen worden sind zu heiraten – und dass ich mich trotzdem für Will entschieden habe.
Ich beobachte, wie Miram zurückweicht, und in ihren unscheinbaren braunen Augen blitzt unbändige Wut auf. Sie dreht sich zu mir um und wirft mir einen Blick zu, den ich gut an ihr kenne. Sie hat mich schon oft so angesehen, doch jetzt verabscheut sie mich mehr denn je. Ihrer Ansicht nach habe ich alles abgelehnt, was ich ins Herz hätte schließen sollen – unser Rudel, die Lebensart von Drakis. Ihren Bruder. Sie kann das alles nicht verstehen, und das erwarte ich auch gar nicht von ihr.
Wie konnte ich nur Will dem heiß geliebten Draki prinzen unseres Rudels vorziehen? Das ist die Frage, die ich in ihren Augen sehe, und darauf kann ich ihr keine einfache Antwort geben.
Auf der anderen Seite ist nichts an Will einfach zu erklären. Ich erinnere mich an seine Fähigkeiten – Erde zu verschieben, von Drakinebel nicht bewusstlos zu werden, seine unglaubliche Stärke – und es ist ganz klar falsch, ihn als Mensch zu bezeichnen. Aber ein Draki ist er auch nicht. Irgendwie finde ich das plötzlich traurig. Will gehört nirgendwo dazu. Nicht zu den Menschen. Nicht zu den Drakis.
Aber er gehört zu mir. Diese Überzeugung ist immer noch da, so sinnlos und gefährlich wie eh und je, und sickert in meine Knochen und in mein Herz. Eine Tatsache, an der ich nicht einmal
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