Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
er starrt sie an, als hätte er jemanden wie sie noch nie gesehen.
Mir wird ganz schlecht. Er schaut sie an wie einen leckeren Snack, den er gerne probieren würde.
»Du bist frei«, sagt auch Tamra. »Du kannst gehen.«
Schließlich wendet er den Blick ab, sieht aber keinen von uns an. Er reckt den Hals und schaut hoch in den Himmel.
Ich folge seinem Blick. Zuerst kann ich nur den schwarzen Nachthimmel erkennen, doch dann dringt ein Geräusch an mein Ohr – wie heftige Windböen, die auf ein Segel treffen. Ich würde es überall wiedererkennen. Ein Draki im Flug.
Dann macht es plötzlich den Eindruck, als würde sich die Nacht selbst bewegen – schwarze Flüssigkeit ergießt sich über fast ebenso dunkle Luft. Fast, aber nicht ganz. Ich erkenne Flügel und glühende Augen, die mir sehr vertraut sind.
»Cassian«, hauche ich.
Geräuschlos landet er, langsamer als sonst – er ist ganz offensichtlich verletzt. Er nickt dem grauen Draki kurz zu, in einer Art schweigendem Einvernehmen.
Sie sind zusammen hergekommen? Wie ist das möglich? Das letzte Mal, als wir die beiden gesehen haben, haben sie versucht, sich gegenseitig umzubringen.
»Cassian«, schluchzt Miram, läuft zu ihrem Bruder und vergräbt sich in seinen Armen. Meine Muskeln spannen sich an und wollen dasselbe tun wie sie. Aber ich zögere. Es ist alles auch so schon kompliziert genug. Zum einen bin ich außer mir vor Freude und Erleichterung darüber, dass Cassian am Leben ist, doch auf der anderen Seite ist mir auch bewusst, dass Will neben mir steht.
Ich gehe ein paar Schritte auf Cassian zu. »Du bist nicht tot?«
»Sieht fast so aus.«
Dann kann ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich umarme ihn und spüre seinen festen Körper. Er ist wirklich da. »Aber du hattest solche Schmerzen … ich habe gespürt, wie … und dann war da auf einmal gar nichts mehr. Nur Leere. Du … bist gestorben.«
»Die Enkros sind gekommen. Ich war immer noch wach, nur ziemlich benommen von dem Gas. Sie haben mich mit einer Art Betäubungsmittel bewusstlos gemacht.«
Ich mache einen Schritt zurück, lasse die Arme sinken und blicke von ihm zu dem grauen Draki. »Und dann was? Habt ihr Freundschaft geschlossen? Wie seid ihr überhaupt beide hierhergekommen?«
Cassian reckt den Hals und sieht sich um. Die Bewegung wirkt müde und erschöpft.
»Als ich wieder zu mir gekommen bin, hat er sie abgewehrt. Das Gas konnte ihm nichts anhaben. Er hat uns beide gerettet. Wir sind durch den Tunnel entkommen, den ihr gegraben habt. Sie wussten nicht, was sie davon halten sollten, und haben sofort angefangen, ihn wieder freizuschaufeln.« Er zuckt die breiten, muskulösen Schultern. »Wahrscheinlich haben sie gedacht, dass ihr euch alle auf der anderen Seite versteckt haltet.«
Sein Blick fällt auf Will und er nickt ihm dankbar zu. Und ich weiß, dass dieser Dank mehr als nur dem Tunnel gilt. Er dankt Will dafür, dass er mich und seine Schwester gerettet hat. Uns alle. Dafür, dass er auf ihn gehört und ihn zurückgelassen hat. Und ich kann an Wills Gesicht ablesen, dass er versteht, was Cassian ihm sagen will.
Ich deute mit dem Daumen über die Schulter auf den grauen Draki. »Und jetzt vertraust du ihm?«
»Ohne ihn hätte ich es nicht geschafft zu entkommen. Er hat sich zuerst befreit und es ist ihm gelungen, die Enkros unschädlich zu machen, die uns bewacht haben.« Er sieht an sich herunter. »Kannst du mir vielleicht ein paar Klamotten geben?«
Ich zeige auf den Transporter und nehme an, dass seine Sachen noch immer im Wagen sind. Mit langen Schritten geht er darauf zu, dicht gefolgt von seiner Schwester.
Ich wende meine Aufmerksamkeit wieder dem grauen Draki zu. Er scheint keine Eile zu haben, seine Menschengestalt anzunehmen. Noch immer starrt er Tamra so durchdringend an, dass heißer Zorn in mir aufsteigt und auf meiner Haut kribbelt. Ich bin mir nicht sicher, ob ich es jetzt schaffen könnte, meine menschliche Gestalt anzunehmen, egal, wie sehr ich mich auch anstrengen würde.
Tamra scheint die Aufmerksamkeit, die ihr da plötzlich zuteil wird, ebenfalls nicht besonders toll zu finden. Sie sieht sich um, bückt sich und hebt ihre Klamotten auf, von denen die meisten ruiniert sind. Verschämt drückt sie sie an die Brust und entfernt sich langsam im Rückwärtsgang von diesem Draki, der nicht aufhören kann, sie anzustarren, und der immer noch den Eindruck erweckt, als könne er sie jeden Moment verschlingen.
Sie läuft zum Wagen, in dem Cassian und
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