Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
Wütend funkle ich ihn über die Schulter hinweg an.
»Du weißt, dass du nicht immer dieses Messer in der Hand haben wirst.«
»Ich glaube, dass ich auch ohne mit dir fertig werde, Jacinda.«
Ich mache ein Geräusch, halb Knurren, halb zweifelndes, verächtliches Schnauben.
»Dein Problem ist, dass du ein zu weiches Herz hast. Dir sind andere doch viel zu wichtig. Das wird immer dein Untergang sein … und so habe ich immer etwas gegen dich in der Hand.«
Blind vor Tränen gehe ich weiter geradeaus. Ich kann noch nicht einmal aufnehmen, was er zu mir sagt. Das Einzige, woran ich denken kann, ist, dass Will ganz allein, hilflos und blutend dorthinten in der Höhle liegt.
»Mach schneller. Ich kann es kaum erwarten, mit dir im Schlepptau im Rudel aufzutauchen. Vielleicht hören sie dann endlich auf, an Cassians Lippen zu kleben, und zeigen mir gegenüber etwas Respekt.«
»Er ist dein Cousin«, sage ich anklagend. »Warum tust du so, als wäre er dein Feind?«
»Weil er zwar in der Thronfolge an erster Stelle steht, aber eigentlich ich diesen Platz verdient habe. Was hat Cassian denn schon getan, außer als Severins Sohn geboren worden zu sein? Gar nichts. Ich wäre ein viel besserer Alpha als er. Er hat ein zu weiches Herz, genau wie du. Das beeinträchtigt seine Urteilsfähigkeit. Ich würde einfach das tun, was für das Rudel am besten ist, ohne Gefühle ins Spiel zu bringen und ohne Fragen zu stellen.«
»Das glaube ich gern«, grolle ich.
Vor uns ist jetzt Licht zu sehen, das heller und größer wird, als wir darauf zugehen. Ich ziehe den Kopf ein und trete hinaus in den Wald. Bäume und Sträucher stehen hier dicht an dicht und wir müssen kratzende Äste und Zweige beiseiteschieben, um vorwärtszukommen. So kämpfen wir uns den schmalen Pfad entlang, den Corbin genommen hat, um sich in die Höhle zu schleichen.
Ich blinzle, um meine Augen langsam an die Helligkeit zu gewöhnen, und bemerke, dass das Licht gar nicht so hell ist, wie ich zunächst dachte. Die Dämmerung ist bereits hereingebrochen. Winzige Staubmotten tanzen in den gedämpften gelben Lichtstrahlen. Ungeduldig stupst Corbin mich von hinten, damit ich weitergehe.
»Was erhoffst du dir eigentlich, Corbin? Dass du einfach mit mir zusammen dort auftauchst und sie dann –«
»Sie werden sehen, dass ich die Dinge in die Hand nehme. Wenn etwas passieren muss, dann sorge ich dafür, dass es passiert. Und nachdem ich dich abgeliefert habe, werde ich auch noch Miram und Tamra finden.«
Ich werfe einen Blick über die Schulter. Das schwindende Licht trifft auf sein Gesicht und in seinen schwarzvioletten Augen ist deutlich seine Leidenschaft zu erkennen, hell und intensiv. Seine Augen sehen denen von Cassian allerdings überhaupt nicht ähnlich.
Sie wirken tot und gefühllos. Verzweifelt und hässlich.
»Du verstehst nicht, was hier los ist.« Ich deute zurück zu der Höhle. »Wenn du einfach nur mal zuhören würdest, was Cassian –«
»Ich verspüre nicht die geringste Lust, Cassian zuzuhören.«
»Es geht um Miram. Ihr ist etwas passiert –«
»Bitte erspar mir das. Du erwartest doch nicht ernsthaft von mir zu glauben, dass Miram dir etwas bedeutet.«
»Ich erwarte, dass sie dir etwas bedeutet – genau wie die Sicherheit des Rudels. Wenn du wirklich denkst, dass du Führungsqualitäten hast und das Beste für das Rudel willst, dann hör mir endlich zu.«
»Das reicht jetzt!« Er zwingt mich dazu, mich umzudrehen, und kommt mit seinem Gesicht bis auf wenige Millimeter an meines heran. Das Messer sticht mir in die Rippen.
Ich blicke hinunter auf die Klinge und dann wieder hoch in Corbins Gesicht und fühle mich kalt und ruhig. »Du hast vollkommen den Verstand verloren«, flüstere ich.
»Ich habe genug davon, dass mir nie jemand zuhört. Dass sich nie jemand um mich schert. Ganz besonders du. Du bist jahrelang im Rudel herumstolziert und hast von deinem hohen Ross auf mich herabgesehen.« Ein Lächeln breitet sich langsam auf seinen Lippen aus. »Aber nun habe ich deine volle Aufmerksamkeit, nicht wahr?«
»Dein Messer, nicht du«, erwidere ich und kann den herausfordernden Ton in meiner Stimme nicht unterdrücken – obwohl eine Waffe auf mich gerichtet ist.
»Ein und dasselbe. Und jetzt dreh dich um.«
»Glaubst du, dein Onkel fände es gut, wenn du mich verletzt?«
»Mach einfach, was ich sage, dann kommt es erst gar nicht so weit. Außerdem hat mein Onkel die Schnauze ziemlich voll von dir.« Er legt den Kopf schief.
Weitere Kostenlose Bücher