Firelight 3 - Leuchtendes Herz (German Edition)
Seine dünnen, senkrechten Pupillen zittern. »Gut möglich, dass er sich sogar bei mir dafür bedankt, wenn ich dich loswerde.«
Plötzlich habe ich einen sauren metallischen Geschmack im Mund, als ich mir vor Augen halte, dass das tatsächlich der Wahrheit entsprechen könnte. Immerhin ist Severin verdorben genug gewesen, um jemanden aus dem Rudel umzubringen. Vielleicht würde er einfach wegsehen, wenn Corbin mir Schaden zufügt.
Ich lasse zu, dass Corbin mich schubst und mich damit zum Weitergehen zwingt. Bald erkenne ich die Umgebung wieder. Das Pulsieren der Bäume, das Flüstern des Windes. Bis zum Rudel sind es nur noch ein paar Kilometer. Ich darf nicht zulassen, dass er mich ihnen wie eine Gefangene vorführt. Davon habe ich bereits genug für mehrere Leben gehabt. Und wenn ich dort auftauche, kann das alles zunichte machen, was Cassian bei Severin erreicht hat. Das kann ich nicht riskieren.
Und dann ist da noch Will. Ich muss unbedingt zu ihm zurück. Gequält schließe ich kurz die Augen und denke daran, wie er allein und verletzt in der Höhle liegt. Was wird mit ihm passieren, wenn Corbin allen erzählt, dass er einen Jäger bewusstlos auf dem Höhlenboden hat liegen lassen? Ich darf nicht zulassen, dass sie ihn so finden – schutzlos. Leichte Beute.
Cassian. Ich flüstere in Gedanken seinen Namen. Lasse ihn durch mich hindurchfließen wie eine vertraute Brise. Corbin hat mich erwischt. Wir sind auf dem Weg ins Rudel. Ich weiß, dass er meine Gedanken nicht lesen kann, aber vielleicht sagen ihm meine Gefühle genug. Ich warte und höre in mich hinein, in der Hoffnung, Cassian dort zu finden. Aber er scheint zu sehr damit beschäftigt zu sein, mit seinem Vater fertig zu werden. Ich empfange nur ein schwaches Summen von ihm. Es reicht gerade, um mir zu sagen, dass er da ist und dass es ihm gut geht.
Mit den Augen suche ich die vertrauten Bäume ab und lausche auf jedes noch so kleine Geräusch. Irgendetwas, was als Ablenkungsmanöver dienen könnte.
Doch da ist nichts. Verbissen akzeptiere ich, dass ich mir wohl selbst etwas einfallen lassen muss.
Zufrieden mit der Dichte des Waldes zu meiner Rechten, bleibe ich stehen.
»Was war das?«
»Geh weiter.«
Ich ignoriere den harten Stoß in den Rücken, den er mir versetzt. »Nein. Hör doch mal!«
»Ich höre überhaupt nichts.«
Ich drehe mich zu ihm um. »Dann halt die Klappe und lausche, es sei denn, du findest Gefallen an der Vorstellung, dass wir von Jägern gefunden werden.«
Er blickt mich misstrauisch an, legt aber schließlich doch den Kopf schief und lauscht.
Ich beobachte ihn, wage kaum zu atmen und warte den richtigen Moment ab …
Und dann tut er es endlich. Lässt mich für den Bruchteil einer Sekunde aus den Augen, um das Blattwerk nach Jägern abzusuchen.
Mehr brauche ich nicht. Blitzschnell schlage ich mich ins Gebüsch. Corbin ruft hinter mir her, aber ich bleibe nicht stehen. Meine Muskeln spannen sich an und brennen, als ich zwischen den Bäumen hindurchrenne. Im Laufen streife ich mein T-Shirt ab. Meine Flügel schieben sich hinter meinen Schulterblättern hervor und breiten sich mit einem Knacken aus.
Ich renne und renne, so schnell ich kann – und widerstehe dem instinktiven Drang zu fliegen. Wenn ich mich über die Bäume erhebe, sieht er mich sofort. Dennoch setze ich meine Flügel ein, um mehr Antrieb zu bekommen und meine Geschwindigkeit zu erhöhen. Ich weiß, dass Corbin genau dasselbe tut. Mehrmals blicke ich auf, um sicherzugehen, dass er nicht über mir fliegt und gleich auf mir landet. Doch am ganzen Himmel ist weit und breit nichts von ihm zu sehen und ich laufe weiter.
Er ist schrecklich laut, ein Albtraumwesen, das durch das Unterholz kracht und fast das Rauschen eines nahe gelegenen Flusses übertönt.
Er ruft meinen Namen und mir läuft es kalt über den Rücken, wenn ich an das Messer in seiner Hand denke. Wenn er mich noch einmal erwischt, bin ich mir nicht sicher, dass er es nicht zum Einsatz bringt.
Möglicherweise wird er mir keine andere Wahl lassen, als auf meine beste Verteidigung zurückzugreifen – mein Feuer. Das lässt mich umso stärker zittern – die Vorstellung, einen anderen Draki umzubringen, Cassians Cousin. Er versucht zwar, mir etwas anzutun, aber das will ich trotzdem nicht.
Er ist immer noch ganz schön in Fahrt und brüllt unablässig meinen Namen. Unser Lehrer für Ausweichmanöver würde ihm hundertprozentig eine schlechte Note geben für den Radau, den er gerade
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