Firkin 04 - Hundstage
hatte wirklich Urlaub gebraucht. Irgendeine Art Urlaub. Nach all den Schwierigkeiten während der letzten paar Monate in Losa Llamas überraschte es ihn, daß nicht der gesamte Ort von den Leuten verlassen war, die hier und dort jede Gelegenheit einer wohlverdienten Unterbrechung nutzten. Man mußte nach einer so umfassenden Instandsetzung wirklich etwas ausspannen. Sie hatten nicht nur das Thaumatron zerlegt und neu zusammengesetzt: Nach der Entdeckung eines halben Dutzends heimischer baumbewohnender Fische, die sich in der Bibliothek eingenistet hatten – ihr sechster Laich litt an Kinderkrankheiten –, hatte Practz eine Bestandsaufnahme der Sicherheitssysteme gemacht und beschlossen, sie auf den neuesten Stand zu bringen. Onomatopede und Gerundien reichten heutzutage einfach nicht mehr aus. [2] Die siebente Fischgeneration lebte nun glücklich auf dem zwölften Regalbrett in Practz’ Arbeitszimmer.
»Kommen Sie!« schrie die Reiseführerin und schwenkte ihr Firmenfähnchen. »Wir haben nicht den ganzen Tag Zeit.«
Gehorsam schlurfte Phlim hinter dem sich abmühenden Träger her, der sich mit verbissener Kraftanstrengung bemühte, mit dem zusätzlichen Gewicht eines großen blauweißen Topfes und drei Messingtürstoppern in der Form zischender Vipern fertig zu werden. Wie üblich wies die Reiseführerin auf zahllose Gegenstände von faszinierend typischem Charakter für diese Gegend hin und plapperte in einer unaufhörlichen verbalen Hut über den Torbogen vor ihnen, den man einst hatte anheben müssen, und zwar im Jahre … Blablabla … aufgrund eines Dekrets von König … Blabla … dessen Kamel geringfügig größer gewesen war als die anderen. Und erst die fesselnde Inschrift an der Ecke von … Blabla … den Treffpunkt der schurkischen Mönche der prä-emptischen Ära der post-sympathischen Epoche … Bla … Bla.
Phlim ließ den ständigen Wortschwall durch seine Ohren fluten, lauschte den winzigen Unterbrechungen, wenn die Dame Luft holte, und machte einen müßigen Versuch, ihre Lungenkapazität zu berechnen. Er kam zu dem Schluß, daß sie mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine anhaltenden Schäden davontrug, wenn man sie sechs Fuß tief in ein Wasserbecken eintauchte und dort für zwölfeinhalb Minuten festhielt. Er fragte sich geistesabwesend, ob es wohl irgendwo in der Nähe ein Becken gab, um den Versuch zu machen. Zwölfeinhalb Minuten Stille wären ein großer Segen gewesen.
Er war gerade im Begriff, einen am Boden kauernden Fakir nach dem Weg zum örtlichen Freibad zu fragen, als die Katastrophe zuschlug. Die Knie des stark überladenen Trägers, die während der letzten fünf Stunden hart an der Grenze des Zusammenbruchs gezittert hatten, gaben endlich nach, und zwar auf eine spektakuläre Weise: Messingschlangen zuckten in die Freiheit, als der Gepäckturm wackelte, schwankte, zusammenbrach und einen Hagel von Strohhüten, Schalentieren und einheimischen ›Spezialitäten‹ auslöste, die aus den Teilen bestimmter Pflanzenfresser hergestellt wurden, die zu verzehren die Einheimischen entschieden zu wählerisch waren. Pakete hüpften in alle Richtungen, trudelten und kullerten in erlesenem Überfluß in die räumliche Freiheit. Schreie des Entsetzens brachen aus dem Paar hervor, dessen Besitz all dies war, und ein Gebrüll des Entzückens erblühte hysterisch in der wogenden einheimischen Menge. Einschließlich Phlim. Na ja, er konnte einfach nicht anders.
Dem Anschein nach blitzartig tauchten Hunderte von Gestalten auf, stürzten sich vergnügt auf den Haufen und verschwanden fast ebenso schnell wieder; jeder mit einem Gegenstand bepackt, auf den sein besonderes Augenmerk gefallen war und den er möglicherweise zuvor verkauft hatte. Innerhalb weniger Sekunden war das gesamte einst bewegliche Gebirgsmassiv aus Andenken nicht mehr vorhanden, augenblicklich verteilt unter den Armen von Khomun.
Das mittelalte Paar starrte in rotgesichtiger Fassungslosigkeit auf die Stelle, ihre Kinnladen hingen in starrem Schreck schlaff herab. Phlim mußte sich abwenden, denn Gluckser kaum verhohlener Heiterkeit entwichen seinen Lippen. Er glaubte nicht, daß es ihre Laune verbessert hätte, wenn er sich in Anfällen hilflosen Grölens vornüber gebeugt hätte.
Just in diesem Augenblick spürte der Thaumaturgiephysiker, daß jemand an seinem Ärmel zupfte. »Kommt näher, Herr, kommt näher!« beschwor ihn ein Marktbudenbesitzer, der mit etwas bekleidet war, das wie ein weißer Rupfensack
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