Firkin 04 - Hundstage
doch so nah dran! Was hast du jetzt vor, Bursche? Du hast nur noch ein paar Stunden – da mußt du jede Minute nutzen. Fleischliche Gelüste, aber dalli! Wie willst du’s machen? Den ganzen Fusel, den du für die Regentage aufbewahrt hast? Oder die Maid drüben in …?«
»Hör auf damit!« schrie der Weiße. »Es ist abscheulich!« Er ließ gereizt die Schwingen flattern und klammerte sich an Wamperts Kimonokragen. »Jetzt ist nicht die Zeit, ihn mit primitiver Lüsternheit vom geraden Wege abzubringen. Er muß um Gnade bitten, Opfer anbieten, beten. Es ist noch nicht zu spät!«
»Pah, das dauert doch viel zu lange, Schnucki!« schrie der Rote. »Du kennst doch meine Parole: Es ist besser, man brennt aus, statt sich hinzuknien und zu beten!« Er wirbelte wie irre herum und lachte böse, als er von Wamperts Schulter abprallte, sich umdrehte und in einem lodernden Streifen infernalischer Abgase vor der anderen Gestalt herumschwebte. Der Engel plusterte seine Schwingen auf und schnalzte.
Der Verstand des zukünftigen Ex-Hof-Imageberaters rotierte fast ebenso panisch wie seine Arme. Er riß und zerrte an den Decken des Vergessens, suchte nach einer Erinnerung, von der er wußte, daß er sie noch brauchte. Es war irgend etwas Finsteres und sehr Peinliches.
»Ich nehme an, ein paar Stunden trunkener Ausschweifungen stimmen ihn bestens auf die Ewigkeit der Verdammnis ein!« konterte der fromme Engel mit zusammengebissenen Zähnen. Sein Wortschwall bombardierte die Luft hinter dem roten Ziel.
Wamperts Geist hob die nebelhafte Ecke einer Decke an und erblickte den Rand der erforderlichen Erinnerung. Zitternd streckte er sich nach ihr aus …
»Verdammnis? Teufel, nein. Aber was für ein Abgang!« spottete der scharlachrote Schutzteufel, streckte die Zunge heraus und zeigte seine roten Arschbacken, als er senkrecht vor dem weißen Engel aufstieg.
»Widerlich!« sagte der Weiße. »Und kindisch.« Er verschränkte die Arme und stieß erneut mit dem Fuß auf.
»Ja, genau!« schrie Wampert und kam quietschend zum Stehen, denn nun breitete sich die Erinnerung in ihrer ganzen Pracht vor ihm aus. Er zuckte zusammen, als er sich an den Zustand seines Kimonos und die Flecken auf dem Alpacaläufer erinnerte …
»Siehst du?« fauchte der weiße Engel und schaute seinen höher kommenden Gegenspieler an. »Er braucht dich nicht!«
»Nein!« schrie der schwebende rote Teufel. »Er braucht dich nicht!« Er wich aus und flog freudig vor einer blauen spiralförmigen Rauchspur her.
»Ich brauche euch beide nicht!« schrie Wampert.
»Ich höre den Weinkeller rufen«, kicherte der Teufel, pikste mit seinem Dreizack in Wamperts Nase und ging in den freien Fall über.
»Beichtstuhl!« schrie der Engel entsetzt und vertrieb den Rauch mit seinen Schwingen.
»Alkohol! Weiber!« grölte der Teufel nur wenige Zoll von Wamperts Nase entfernt.
»Gebete! Verzeihung!« plädierte der Engel, flatterte in verzweifelter Frömmigkeit und wünschte sich insgeheim, auch eine Lanze zu haben, mit der er den Teufel piksen konnte, und sei es auch nur einmal! Er wollte ihn nur einmal in seine anstößigen scharlachroten Arschbacken piksen!
»O nein«, rief Wampert. »Dafür habe ich später noch genug Zeit. Jetzt geht’s geradewegs zur Verdammnis!« Er wandte sich unerwartet auf dem Absatz um und nahm Tempo auf.
»Jetzt sieh dir an, was du angerichtet hast!« rief der Weiße und flatterte rasch hinter der kleiner werdenden Gestalt mit den Kamelhaar-Halbschuhen her.
»Ich?« schrie der Teufel und kam aus einem steilen Sturzflug hoch. »Wieso denn ich? Ich habe doch gar nichts von Pimpern gesagt – und die Frauen sind da drüben.« Er schwenkte seine Lanze.
Wamperts Schutzengel zischte um die Ecke aus dem Blickfeld des Teufels und hängte sich dicht an die Kimonoschöße seines rennenden Schützlings.
»He! Nicht so schnell!« quiekte der Teufel. »Warte auf mich. So leicht entgeht er der Versuchung nicht! Komm zurück. Wenn ihm etwas Besseres als Pimpern eingefallen ist, will ich es wissen!«
Cheiro Mancini hatte fast zwei Stunden gebraucht, um den empathischen Projektor aufzubauen. Er war in die tiefsten Winkel und finstersten Ritzen seines Gedächtnisses hinabgestiegen. Er hatte inquisitorische Fackeln angezündet, um dunkle Ecken zu erhellen und wie ein nach Meeresfrüchten lechzender Feinschmecker, der wie wahnsinnig am letzten weißen Fleisch einer halbbesoßten Krabbe kratzte, geistig den letzten Schrott seines akkumulierten
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