Firkin 04 - Hundstage
zwar nicht, wie er es herausgeschmuggelt hat, aber … Schaut! Das beweist es!« Practz deutete aufgeregt auf die Kristallkugel, auf der nun eine hastig verborgene Kutsche schwindelerregend schnell ins Blickfeld kam.
»Verdammt! Er hat es geplant! Er hat die Kutsche gewechselt! Suchfeld ausdehnen! Wir müssen ihn finden, bevor es zu spät ist!«
»Wofür zu spät?«
»Das weiß ich auch nicht«, gestand Practz. »Deswegen mache ich mir ja Sorgen.«
Mancinis Stirn war vor Konzentration schweißbedeckt. Er hatte die Augen geschlossen und richtete seine Gedanken wie Laserstrahlen auf den Haufen der schrittweise vor ihm metamorphierenden Bleirohre. Mentale Finger frisierten und massierten, drehten und kneteten das Plastizin der Wirklichkeit. Ihm bebte der Kopf unter der Belastung der letzten Woge der Willenskraft, und sein Singsang endete. Er öffnete die Augen.
Fünf Brote und zwei Kröten blinzelten ihn an.
Er stieß eine Salve von Flüchen aus und warf das gestohlene Buch durch den Raum. Es war hoffnungslos. Bei diesem Ergebnis mußte sich sein Glück auf eine Ausdehnung des Krötensandwichmarktes verlassen. Knapp schaute von dem Brot- und Amphibienhaufen auf und schluckte nervös.
»Okay, du hast gewonnen!« ächzte Mancini der Molluske zu. »Wir versuchen es auf deine Art. Aber wenn sie nicht das sind, was du sagst, bist du in Null Komma nichts eine Handtasche. Verstanden?«
»Allemal«, dachte die Molluske.
»Gut. In welcher Richtung also liegt das murrhanische Reich?« sagte Mancini und setzte eine mutige Stimme auf. Knapp wimmerte und stopfte den Folianten in seinen Sack zurück.
Die Molluske floppte aus der Wanne, baggerte den hinteren Teil ihres Hirns aus und telepathierte Mancini etwas zu. Braune Striche wirbelten konzentrisch durch den Kopf des Alchimisten, Spuren kreuzten sie, grüne Flecke überlagerten blaue Schlangenlinien, und willkürlich bildeten sich Buchstaben über dem ganzen chaotischen Durcheinander.
Mancini schaute sich die perfekte mentale Landkarte an, schnalzte mit der Zunge und machte sich daran, das Roß zu bepacken und das Sattelbad für die Molluske zu füllen.
Knapp kramte in seinem Sack herum, entwirrte ein Blatt Pergament und glotzte das Bild der scheckigen Tücke an, die sich vor Kaiserin Tau versammelt hatte. In einem spontanen Anflug Zuversicht bildender Artikulation grunzte er: »Au weia.«
SIE LEBT!
Am fernen westlichen Rand des murrhanischen Reiches hielt eine rasend schnelle Frarri-Sportkutsche schlagartig Staub aufwirbelnd hinter einem Hain spitz zulaufender Bäume. Zwei Gestalten sprangen heraus. In Windeseile hatten sie eine Lakensammlung aus dem Kofferraum gerissen, selbige um den Kopf gewickelt und mit Ledergürteln befestigt. Der größere der beiden nahm einen Flachmann an sich, schraubte den Deckel ab und schien dann ein kurzes Gespräch mit seinem Inhalt zu führen. Dann verbarg er ihn in den Falten seines fließenden Umhangs und schritt auf die strahlenden Tore der vor ihm befindlichen Stadt zu.
»Langsam!« schrie der Kleinere, nachdem er eine halbe Stunde lang Sandhügel hinaufgehetzt war. »Wo gehen wir denn hin?« Es war Knapp.
»Dahin!« erklärte Cheiro Mancini bedeutungsvoll und deutete auf einen sich in der scheinbar endlos erstreckenden Mauer befindlichen viereckigen Turm. »Ins murrhanische Reich.«
»Hätten wir nicht auch hin fahren können?«
»Falls jemand fragt, gehören wir zum Stamm der Bayufaren, und Angehörige dieses Stammes sind nicht dafür bekannt, daß sie nagelneue Frarri-Sportwagen besitzen, klar?«
»Nun ja«, brummelte Knapp. »Aber Ihr hättet schon näher an diesem Reich parken können.«
»Halt’s Maul«, raunzte Mancini und strebte dem strahlenden Tor entgegen.
Es dauerte nicht lange, dann erkannten sie, daß sie nicht die einzigen waren, die dieses Ziel hatten. Aus allen Windrichtungen eilten auch andere Leute aufgeregt in die Hauptstadt, wimmelten um den kaiserlichen Palast herum und schleiften klapprige Handkarren voller Krimskrams heran – Geschenke und Opfergaben für Sahmbal Uklek, den fischköpfigen Hühnergott mit der feurigen Zunge.
Es war ein fundamentaler Glaube des murrhanischen Volkes, daß das Gift der Lügen und Falschheiten, die man im Laufe seines Lebens erzählte, im Munde des Verursachers blieb und Geschwüre, Plaque und Halitose verursachte. Nur wenn man von der reinigen Tinktur Sahmbal Ukleks trank, konnte dieser Makel entfernt werden.
Und so wurden an jedem Sahmbal-Uklek-Tag,
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