Firkin 05 - Fahrenheit 666
nicht ganz den Dreh raushab, die innere Ablehnung meines … ähm, meines Gastgebers zu unterdrücken. Hören Sie, Sie kennen mich nicht. Mich kennen sowieso nur wenige Leute, ich war nämlich nicht besonders beliebt da oben, aber c’est la vie …«
»Was wollen Sie eigentlich damit sagen?« fragte J’hadd besorgt und beobachtete nervös den sich langsam bewegenden Krug in Achonites Hand.
»Ich muß Sie warnen. Alles ist meine Schuld. Ich hätte niemals Telepenetranz ausprobieren sollen. Ich bete, daß Sankt Nimmerlein mir meine Sünden vergeben wird und es mir gelingt, mit …«
Plötzlich geschahen zwei Dinge fast gleichzeitig. Der Riese von einem Bauarbeiter wollte nach seinem Krug langen und bemerkte erstmals, daß dieser nicht mehr an dem ihm angestammten Platz stand. Achonites Hand zuckte erschrocken zusammen und zog sich in einem kläglichen Fluchtversuch mitsamt dem Krug über den Tresen zurück.
»Ej! Gib mir sofort mein Bier zurück!« brüllte der Riese.
»… mit Ihnen zu reden und dafür zu sorgen, daß ich … umpf!« Der Krug wurde mit einem Schluck geleert. Eine Sekunde später folgten die gewaltigen Hände des Arbeiters, schraubten sich fest um Achonites Hals und wuchteten den Hauptmann vom Hocker.
»Gib mir mein Bier zurück!«
Achonites Grabesstimme gurgelte um gut einen halben Liter Bier herum und prustete: »Zentaur-Vergnügungspark … hütet euch davor!« Es war das letzte, was er von sich gab, bevor er über den Tresen gezogen wurde, im hohen Bogen gegen einen Tisch prallte und quer über den Boden des ›Rinnsteins‹ rutschte, bis er zerknautscht in einer Ecke landete.
J’hadd grinste verlegen, als er von den Bauarbeitern ins Verhör genommen wurde. »Meine Herren, bitte, ähm … erlauben Sie mir, daß ich mich für diesen Herrn dort in der Ecke entschuldige und Ihnen eine Runde ausgebe …« Er griff tief in die Tasche, ließ eine Menge Taler auf den Tresen fallen, verdrückte sich blitzschnell durch die Tür nach draußen und lief weiter in Richtung der Kapelle von Sankt Nimmerlein. Wenn das ein Witz von Kommandant Achonite gewesen sein sollte, dann … nun ja, er fand dieses Herumgerede um den heißen Brei jedenfalls überhaupt nicht komisch. Was für ein lächerliches Theater! Und das alles nur, weil er ihm sagen wollte, daß Gravur in der Kapelle von Sankt Nimmerlein war. Pah! Geheimagent Seelenwachtmeister J’hadd flehte mit einem kurzen Stoßgebet sämtliche Götter an, dem Kommandanten der Schwarzen Garde wirklich abartige Kopfschmerzen zu verpassen.
Pfarrer Götz von Öl der Dritte schüttelte den Kopf und fluchte, während er das Scheitelkäppchen mit den eingewirkten Goldborten abnahm und versuchte, sich dagegen zu wehren, daß ihm schwindlig wurde. Bier! Igitt! Fürchterliches Zeug! fluchte er in Gedanken, wobei ihm insbesondere der Geschmack von Hopfen aus zweitem Mund auf der Zunge zu schaffen machte. Warum können diese Leute nicht wie zivilisierte Menschen Abendmahlswein trinken?
»Seid bloß vorsichtig!« ermahnte Frau Frieda Grün ihre unter dem Banner des Regenbogens kämpfenden Umweltschützer, als diese die befreiten Flüchtlinge vom Wagen luden und die Bretter der Rampe bedrohlich quietschten. Dann rollten sie den riesigen, rotverschmierten Felsblock zu einer hastig requirierten Stelle auf den Marktplatz von Cranachan.
Inmitten des lebhaften Treibens stellten die Regenbogenkrieger rings um den Felsblock Unmengen von Plakaten auf, und als Frau Grün ihre dunkelgrüne Öljacke ein Stück hochzog, sich mit den Händen auf dem Wagen abstützte und sich auf die mit roten Flecken übersäte Ladefläche schwang, brachen sie in lauten Beifall aus, um die Aufmerksamkeit der Umstehenden zu erheischen. Verstohlen wischte Frau Grün ihre mit Rotschleimpilzen beschmierten Hände am Jackensaum ab und hoffte, daß niemand etwas davon bemerken würde. Dann sammelte sie sich und bereitete sich innerlich darauf vor, ihre erschreckenden Beweise der Öffentlichkeit zu präsentieren. O ja, sie wollte alle Leute, die hier auf dem Marktplatz waren, um den wöchentlichen Rübenvorrat zu kaufen oder um einige billige Ziegenkoteletts zu erstehen, über die schändliche Notlage des Rotschleimpilzes aufklären.
»Bürgerinnen und Bürger von Cranachan!« rief sie mit zorniger Stimme und zeigte auf den rotbefleckten Felsstein. »Wollt ihr euch dieses Gemetzel tatenlos ansehen? Seid ihr wirklich willens, an der Vernichtung des Rotschleimpilzes, eines unserer entfernten
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