Firkin 05 - Fahrenheit 666

schwang sie sich gekonnt über das klappernde Gatter und stieß dabei einen schräg klingenden Triller über die Lippen. Blitzartig hatte sie den kleinen Beutel mit gelblichem Pulver geöffnet und verstreute es großzügig hierhin und dorthin, während sie im weiten Bogen um die unappetitlichen bräunlichen Fladen herumhüpfte, die den Kühen stetig zu folgen schienen. In einen war sie bereits hineingetreten, und das hatte ihr gereicht, vielen Dank auch …
    Kurz darauf hüpfte sie über das Gatter auf der anderen Seite und spazierte zur nächsten Kuhweide.
    Und noch bevor sich Alea außer Hörweite befand, hatten jede Menge großer Rinderzungen entdeckt, wie außergewöhnlich aromatisch das eigenartige, gelbliche Pulver schmeckte, und viel zu spät bemerkt, daß ihre mehrteiligen Mägen es nicht vertrugen. Sitte und Anstand lehnten sich verlegen zurück und verschlossen angewidert die Augen, als aus sämtlichen Rindviehhintern gewaltige Blähungen aus warmem Methan unkontrolliert entwichen und nach oben stiegen, um sich im Himmel mit der großen, gasförmigen Wolkendecke zu verbinden.
     
    Zum Glück für den wilden Haufen wütender Bauarbeiter und Handwerker, die auf den fast einen Kilometer langen Sicherheitszaun des Zentaur-Vergnügungsparks zustürmten, war die Lufttemperatur zu ebener Erde lediglich drückend heiß. Fluchend und schimpfend näherten sie sich dem Eingangstor, und ihre Köpfe rauchten vor Hitze und Wut um die Wette. Knalli J’hadd, der erpicht darauf war, von Achonite einige Antworten zu erhalten, keuchte gut hundert Meter hinter ihnen und blieb plötzlich wie angewurzelt stehen. Die Horde lief unbeirrt weiter und schwenkte brüllend ihre nicht entflammbaren Hunderttalerscheine.
    J’hadd beobachtete das Geschehen, das sich vor ihm abspielte, und wurde unverhofft Zeuge von etwas Außergewöhnlichem. Und dabei handelte es sich um einen brodelnden schwarz-roten Wirbelwind aus dichtgedrängten atmosphärischen Störungen, die in einem meteorologischen Chaos sondergleichen in sämtliche Richtungen gezackte Blitze abfeuerten. Aus riesigen Wolkenbänken strömte Regen herab, der noch in der Luft unmittelbar vor seinen Augen verdunstete. Nun, Meteorologie war sicherlich nicht seine Stärke, aber dennoch hatte er ein wenig das Gefühl, daß so etwas mit dem Wetter einfach nicht passieren durfte.
    Und dann kam ihm mit zitternden Knien die Erkenntnis. Es gab keinen Zweifel daran, daß er mitten auf die exakt fünftausendfache Vergrößerung einer in üppig grellen Farben gehaltenen Seite der Vulgata-Bibel starrte, die von einem brüllenden und sprudelnden Geräusch umgeben war. Er schrie und machte sich fast in die Hose, als ihm die volle Bedeutung des furchterregenden Panoramas deutlich wurde, so daß sich seine Eingeweide zu einem kunstvollen Muster verknüpften, auf das so mancher Mediziner mit einem Faible für Seemannsknoten stolz gewesen wäre. Fünftausendmal kleiner und in verblassenden Farben hatte die Verkündung vom Ende der Welt damals längst nicht so gruselig ausgesehen. Während sich J’hadd an seine Ausbildung beim GURU erinnerte, schossen ihm die Wörter aus der Vulgata-Bibel durch den Kopf und brummten ihm in den Ohren.
     
    Und Rauch wird aus der Unterwelt aufsteigen, und Blitze und Donner werden geschehen und ein großes Erdbeben, wie es noch nicht gewesen ist, seit Menschen auf Erden sind, und die Berge und die Sonne werden nicht mehr zu sehen sein, und es wird unendlich heiß werden, was den Menschen überhaupt nicht gefallen wird. Wollen wir wetten?
     
    Weiter vor ihm rannten die aufgebrachten Bauarbeiter auf die Umzäunung des Zentaur-Vergnügungsparks zu. J’hadd unterdrückte seine Angst und beschloß, ihnen hinterherzulaufen. Er mußte sie warnen! Niemand, der wütend zu den Toren von Helian hinaufstürmte, um sein Geld zurückzufordern, kam ungeschoren davon.
    Verzweifelt versuchte er, seine Gedärme auseinanderzuknoten, um wenigstens einigermaßen gehen zu können, und kämpfte sich schließlich unter Bauchkrämpfen dem Ende der Welt entgegen. Hinter ihm durchbrach eine Schar von fünfundzwanzigtausend Regenwürmern das Erdreich. Sie blinzelten und schielten nach einem saftigen Haufen aus modrigem Laub, der sich nach ihrer felsenfesten Überzeugung genau hier an dieser Stelle befinden mußte, doch instinktiv spürten sie sofort, daß er gerade davonlief. Dort entlang! Los, nun macht schon! Beeilung!
    Drei Sekunden später wurde ein kleiner Erdhaufen mit zwei