Firkin 2: Die Frösche des Krieges
sein. Oder doch?
»… hahtjan unke inhenzz jenmeer dabes innzzich d…«
Hogshead blickte auf, er hatte ein Geräusch gehört: Stein auf Holz. Der Kiesel hatte sich bewegt. Er atmete langsam ein und setzte dabei – anders intonierend jetzt – die Rezitation fort. Wieder bewegte sich der Kieselstein. Die Anstrengung trieb ihm den Schweiß auf die Stirn, in die sich tiefe Falten gegraben hatten. Tonhöhe und Timbre: darauf kam es jetzt an, davon hing es ab, ob es ein Erfolg werden oder als Fiasko enden würde. Und als es dann mehrmals hintereinander leise pochte, da wußte er, daß es funktionierte. Er schloß die Augen, psalmodierte konzentriert und wesentlich selbstsicherer, und seine Stimme nahm zu an Festigkeit und Volumen. Die Klopfgeräusche wurden schneller, wurden leiser und immer leiser und hörten schließlich ganz auf. Hogshead sprach noch ein paar Sätze … erst jetzt fiel ihm plötzlich auf, daß er den zweiten Teil der Zauberformel mit geschlossenen Augen gesprochen hatte, ohne in das Buch zu blicken.
Er nahm sich fest vor, irgendwann einmal mit Ch’tin darüber zu sprechen. Im Augenblick hatte er dafür keine Zeit, er platzte beinahe vor Neugier, ob der Zauber gewirkt hatte. Eine Explosion hatte er zumindest nicht gehört …
Er schlug die Augen auf und sah auf die Tischplatte, auf die Stelle, an der der Kieselstein gelegen hatte. Bei diesem Anblick stockte ihm der Atem. Er wußte zwar nicht genau, was er eigentlich erwartet hatte – das aber ganz bestimmt nicht: Die Stelle, auf der der Stein gelegen hatte, war leer. Der Kiesel war verschwunden, hatte sich in Luft aufgelöst.
»Es hat schon wieder nicht geklappt«, beklagte er sich bei Ch’tin. »Warum? Der Stein sollte jetzt über der Tischplatte schweben, und ich habe ihn verschwinden lassen! Liegt das an meiner Aussprache, oder was?« Er wischte mit der Hand über die Stelle, auf der der Kieselstein gelegen hatte. »Weg! Verschwunden! Warum hat es nicht richtig funktioniert?«
Ch’tin blickte Hogshead in die Augen: »Mit dem Wort schnell fertig die Jugend ist!«
»Hä? Es hat nicht geklappt! Das Ding ist weg!«
Ch’tin legte die Fühler nach vorn und zeigte nach oben. Hogshead blieb vor Erstaunen der Mund offenstehen. Dort oben, einen Meter über der Tischplatte, schwebte auf einer Säule aus purem Nichts der Kieselstein. Er kreiste langsam und zog in kleinen geostationären Umlaufbahnen um ein Häuflein heillos verwirrter Stickstoffatome.
Hogshead starrte ihn fasziniert an. Sein Gesicht warf Falten, er grinste wie ein Krokodil. Er hatte es geschafft! Diesmal hatte er es geschafft! Hogshead, der Magier! Hogshead, der Zauberer! Hogshead, der Nekromant!
Ein überwältigendes Gefühl der Befriedigung erfaßte ihn. Reglos saß er im matten Schein der Talgkerze, sah mit irrem Grinsen dem kreisenden Kieselstein zu und kicherte leise. Es war ein selbstzufriedenes stilles Kichern, in dem – winzig nur, wie ein Hauch bloß – der hohle Klang postthaumatischer Überspanntheit mitschwang.
Wieder fauchte ein eisiger Windstoß durch Swinehunts Höhle und bohrte sich wie ein ganzes Heer thermischer Taschendiebe mit spitzen kalten Fingern noch tiefer in seinen zitternden dünnen Körper. Er verfluchte den Holzhaufen, der auf dem Boden lag, und schwor sich, beim nächsten Mal eine Schachtel Zündhölzer zu stehlen. Er hatte schon lange den Überblick verloren, wie oft er vergeblich versucht hatte, diese erbärmliche Karikatur eines Lagerfeuers anzuzünden.
Er kroch zum Eingang der Höhle und sah nach dem Wetter. Der Wind blies aus Nordwest, wahrscheinlich würde er noch vor Einbruch der Dunkelheit auf Nord drehen. Es sah ganz so aus, als näherte sich eine Kaltfront. Und wieder fluchte er, als er sich vergegenwärtigte, was die kalten Winter in den Krapathen für den unvorsichtigen Wandersmann bedeuten konnten, und sich gleichzeitig erinnerte, wie wohlig warm er es doch hinter den schützenden Mauern von Schloß Isolon gehabt hatte. Der Winter kam schnell – die Vorstellung, ihn hier in den Bergen überstehen zu müssen, war ihm in etwa so angenehm wie die Vorstellung, in Zukunft für seinen Lebensunterhalt arbeiten zu müssen. Er sah Klayth vor sich, sah ihn an einer langen Bankettafel sitzen, an der er eben ein königliches Festmahl verputzt hatte – er haßte ihn! Haßte ihn, weil es ihm nicht mehr gegönnt war, Erzkanzler von Isolon zu sein und die Annehmlichkeiten, die dieses Amt mit sich brachte, genießen zu dürfen. Statt dessen
Weitere Kostenlose Bücher