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Firkin 2: Die Frösche des Krieges

Firkin 2: Die Frösche des Krieges

Titel: Firkin 2: Die Frösche des Krieges Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Brücke gibt es nicht mehr. Kennen Sie vielleicht einen anderen Weg?« Plötzlich fiel ihm ein, daß ihre Landkarte mittlerweile möglicherweise mehrere Kilometer den Bach hinuntergegangen war.
    »Viele Wege führen nach Rom«, sagte Praxx und tippte sich dabei geheimnisvoll an die Nase.
    »Da wollen wir nicht hin. Wir wollen über den Fluß da«, sagte Hogshead, der keinen Sinn für sprichwörtliche Redensarten hatte.
    Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, hockte sich der schwarzgekleidete Mann im Schneidersitz auf den Boden. Er kramte in den diversen geräumigen Taschen seines Umhangs, nahm ein kleines schwarzes Buch heraus, einen Abakus, mehrere Tabellen und ein durchsichtiges rechteckiges Kästchen, das summte und zischte wie ein Handvoll verschmorender Nachtfalter. Dann maß er den Winkel der Sonne über dem Horizont und trug den Wert auf einer der Tabellen ein. Die Kinder sahen ihm völlig entgeistert zu.
    »Was machen Sie denn da? Was soll denn das mit einer Brücke zu tun haben?« fragte Hogshead. Praxx verschob einige Kugeln an dem Rechengestell, notierte wieder ein paar Zahlen und stellte auf dem knisternden Kästchen alle möglichen Runenskalen und magischen Parameter ein.
    »Seht zu und gebt genau acht«, sagte der Fremde und verschob wieder einige Kugeln auf dem Abakus. Nachdem er einige Minuten lang mehrere allem Anschein nach hochkomplizierte Berechnungen angestellt, gemessen und wieder gerechnet hatte (wobei er insbesondere die aktuellen SMPTE-Werte [15] beachtete), faltete er die Tabellen zusammen, steckte das Buch in die Tasche, nahm das durchsichtige Kästchen vorsichtig in die Hand und zog sich die Kapuze über den Kopf.
    »Was soll denn das?« fragte Hogshead wieder. »Hören Sie auf damit!«
    Praxx saß reglos am Boden, es sah aus, als wäre er eingeschlafen. Aus der Kapuze war, wie ein langsam vorgetragenes Mantra, ein dumpfes Jammern zu hören: Praxx begann damit, die Zeitströme zu ›krümmen‹. Er tat dies mit der Fachkenntnis eines Deja-Moi-Meisters des Neunten Äon und mit Hilfe eines knisternden kleinen Taschenthaumatrons.
    Hogshead schüttelte den Kopf, einen kurzen Moment lang schien es, als wackle die Luft.
    Praxx’ Beschwörungsgesang wurde langsamer. Es hörte sich an, als riebe ein parakosmischer Finger über den Rand der Bandspule der Zeit. Die Tonhöhe sank ab, die Rezitation klang wie das unmelodische Brummen eines tierischen Bassisten, der an akuter Kehlkopfentzündung litt. Mit offenem Mund und völlig entgeistert standen die Kinder da, als plötzlich alles einen Moment lang innezuhalten schien. Dann stieg die Tonhöhe wieder an, langsam erst, dann schneller und immer schneller, bis sich der Gesang schließlich anhörte wie das verhaspelte Piepsen einer durchgedrehten Maus, die den Kopf voll Amphetamin und die Lunge voll Helium hatte.
    Praxx stand auf und sauste wie von unsichtbaren Schnüren gezogen rückwärts über die Lichtung und verschwand. Das Tempo der Bilderfolge nahm zu. Gesprächsfetzen, an die Courgette sich erinnerte, rasten rückwärts aus ihrem Gedächtnis. Bilder blitzten auf, Ereignisse, an die Hogshead sich schwach erinnerte – sie stürmten aus seiner Vergangenheit und flogen in eine ungewisse Zukunft. Der Sand in Dawns Lebensuhr floß aufwärts, die temporale Bandmaschine spulte zurück.
    Das Tempo der rücklaufenden Bilder verlangsamte sich allmählich, das Band ruckelte ein paarmal vor und zurück, lokalisierte den SMPTE-Code auf der Belegkante und lief dann unerbittlich vorwärts.
    Praxx war nirgends zu sehen.
    Über dem Ghawiall lag ein Baum, der ganz so aussah, als läge er dort schon seit Jahren. Hogshead, Courgette und Dawn wurden von einer intensiven Déjà-vu-Empfindung befallen.
    »Du kannst ganz beruhigt sein«, sagte Firkin. »Solche Bäume halten jahrelang.«
    »Und was glaubst du, wie lange der schon hier liegt?« fragte Courgette, die entsetzt und zu Tode erschrocken war: Sie sah Firkin wieder vor sich, und die Worte, die sie eben ausgesprochen hatte, klangen ihr in den Ohren, als hätte sie sich selbst nachgeäfft.
    »Och … Jahre. Aber er sieht ganz stabil aus. Ich zeig’s euch.« Und wieder sprang Firkin unbekümmert auf die behelfsmäßige Brücke, die das öligglatte Wasser des Ghawiall überspannte.
    Courgette wollte schreien, wollte brüllen und ihn warnen. Die Bilder jenes Ereignisses, das erst so kurz zurücklag, waren ihr noch allzugut in… Was war es jetzt? Erinnerung? Gedächtnis? Vorahnung? Zweites Gesicht? Innerlich

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