immer kurz vor dem Bankrott stand. Thomas wollte wissen, ob es sich lohnte, in das Projekt zu investieren oder ob das alles nur grüne Dünnbrettbohrer waren, die vor lauter Umweltschutz die Gewinnmaximierung vergessen hatten.
„Ich gehe nachher joggen. Haben Sie Lust mitzukommen , Brockmann?“
Was für eine Frage! Wenn sein Chef joggen wollte, dann hatte Brockmann Lust zu haben. Wenn sein Chef den Ärmelkanal durc hschwimmen wollte, dann schwamm Brockmann neben ihm. Und wenn der Job ihm nicht gefallen würde, dann wäre er nicht schon seit sieben Jahren Mahlers Bodyguard. Trotzdem erlaubte sich Brockmann immer den Anschein von Freiheit und fragte:
„Wo?“
„Weiß nicht, sagen Sie!“
„Treptower Park!“
Ihre Gespräche liefen immer so ab. Herrlich einfach und unproblematisch. Seit Ines ausgezogen war, hatte Brockmann wieder sein altes Zimmer neben dem Haupteingang der fünfhundert Quadratmeter großen Luxus-Penthouse-Wohnung im sogenannten Mahler-Hochhaus bezogen und damit hatte er den Tagesablauf deutlich vereinfacht. Er machte wieder das Frühstück für sie beide, wie früher. Sie sprachen den Tag und die Termine in aller Ruhe ab, bevor jeder seinem Job nachging, wie früher. Sie redeten über Frauen, meist die, die Thomas hatte, aber manchmal auch über Brockmanns Eroberungen. Sie lachten sich gegenseitig aus, ohne jemals den Respekt voreinander und die Distanz zueinander zu verlieren. In den anderthalb Jahren seiner Ehe mit Ines war das nicht so problemlos gewesen.
Ines wollte den Bodyguard nicht in der Wohnung haben und sie wollte verständlicherweise mit ihrem Mann ungestört und alleine frühst ücken. Brockmann hatte sich 10 Etagen tiefer, im Luxushotel, ein Apartment genommen und der ganze Tagesablauf war für sie beide deutlich umständlicher geworden. Gott sei Dank, Brockmann war seit drei Monaten wieder in seinem alten Zimmer, hatte seinen Boxsack dort wieder aufgehängt, obwohl zwei Türen weiter ein riesiger Fitnessraum mit Whirlpool eingerichtet war. Aber der Boxsack war Brockmanns Markenzeichen. Wo das Ding hing, war Brockmann zu Hause.
„Ist das irgendeine Schweinerei“?, fragte er. Thomas wusste z uerst gar nicht, was er meinte. Erst als Brockmann auf die Mailadresse zeigte, ging ihm ein Licht auf.
„Nein!“, beteuerte er viel zu hastig und nach Brockmanns Grinsen fügte er hinzu: „Noch nicht. Aber vielleicht wird ja eine draus. Ich hoffe es ein bis schen.“
Und dann erzählte er ihm von seinem nächtlichen betrunkenen G espräch mit der Putzfrau, und Brockmann lachte sich schief. Er lachte so laut und so lange, bis sein quadratischer Kahlkopf puterrot war.
„ Sie hören sich nicht an wie ein Wichser. Hat sie das echt gesagt?“ Brockmann hielt sich den Bauch und rumpelte ein herrlich urtümliches Lachen aus sich heraus. „Und Sie hat keine Ahnung, wer da hinter der Klotür war?“
„Wie auch!“
„Ich wette, die sieht aus wie eine Bulldogge!“
„Oder wie ein Nilpferd.“
Sie lachten jetzt beide aus vollem Hals und in dem Moment fragte Thomas sich, was ihn geritten hatte, diese Mailadresse an die Toilettenwand zu schmieren – wie ein notgeiler Teenie auf dem Schulklo oder wie ein Fernfahrer auf der Autobahntoilette. Selbst wenn er die schönsten und unanständigsten Mails von der Frau bekommen würde, er würde sie auf keinen Fall näher kennenlernen wollen.
Eine Putze, eine alte Jungfer, ein Unikum!
Er war richtig erleichtert, als er am Abend das erste Mal die Mails von seinem neuen Postfach abrief und nur die Begrüßungsmail von Webb.de in seinem Postfach war. Die Frau schien vernünftiger zu sein als er. Das war eine seltsame Episode gewesen, die er vielleicht mal in seinen Memoiren erwähnen würde – falls er je Zeit haben würde, welche zu schreiben –, aber ansonsten am besten für immer unberührt ließ.
Er vergaß das Ganze dann auch wirklich wieder. Erst als er am nächsten Tag in der Mittagspause seine eigene Privattoilette bei Expiron aufsuc hte, fielen ihm die Putze und sein geheimes Mailpostfach wieder ein. Er rief die Mails von Webb.de ab, fragte sich genau in dem Moment, warum er das überhaupt tat und hoffte, dass sie nicht geantwortet hatte. Aber als er eine Mail von einer
[email protected] in seinem Postfach sah, machte sein Herz einen Freudensprung und seine Hand zitterte s ogar leicht, als er die Maus auf die Mail führte und Öffnen klickte.
Es war verrückt. Er war verrückt.
Sie hatte nur drei Sätze geschrieben, gestern