First Night - Der Vertrag (German Edition)
und solange von einer Endstation zur anderen fuhr, bis ihn jemand hinauswarf.
Sie kam fünf Minuten zu spät und Frau Bunke spuckte Gift und Galle. J ulias Entschuldigung – von wegen Magenverstimmung und die ganze Nacht erbrochen – tat sie mit einem wütenden Grunzen ab und hätten sich nicht zwei andere Kolleginnen krankgemeldet, dann hätte die Bunke Julia wahrscheinlich an Ort und Stelle gefeuert. Aber so war sie auf Julia angewiesen und schluckte die Verspätung mit einer letzten Ermahnung hinunter.
Gott sei Dank!
Zur Strafe durfte sie für den Rest der Woche die Toiletten ab Etage 10 aufwärts putzen. Toiletten waren wirklich eine Strafe, besonders die Herrentoiletten. Der Geruch, der Dreck und was da sonst noch anzutreffen war, das konnte manchmal selbst einem abgebrühten Latrinenleerer noch den Magen heben.
Julia zog sich an dem Gedanken hoch, dass sie nach dem Sommersemester das erste Staatsexamen machen und dann den Vorbereitungsdienst beginnen würde. Als Referendarin würde sie gerade genügend Geld verdienen, um auf den Putzjob verzichten zu können. Und den Kellnerjob bei Vittorio konnte sie dann auf ein, zwei Abende in der Woche reduzieren.
Morgens um diese Zeit war das 20st öckige Bürohochhaus beinahe völlig leer, fast tot. Die Pförtner waren da, die Nachtschicht der Hausmeister und der Sicherheitsdienst. Ach ja, und dann gab es da noch den Nerd aus der IT-Abteilung im 10. Stock. Der schien nie zu schlafen und saß auch nachts in seinem Büro.
Julia sah ihn ab und zu, wenn sie in seinem Bereich putzte. Er war ein netter Kerl, denn er war einer der wenigen Männer, der sie einfach gar nicht beachtete, sondern wie in einem Wachkoma auf seinen Bildschirm starrte. Vermutlich nahm er es nicht einmal wahr, wenn sie kurz über seinen Schreibtisch wischte.
Aus diesem Grund war sie auch nicht besonders erschrocken, als sie aus einer der WC-Kabinen der Herrentoilette im 10. Stock seltsame Gerä usche hörte. Wirklich seltsame Geräusche. Entweder da holte sich gerade einer einen runter oder er starb. Julia tippte mal auf Runterholen. Wahrscheinlich war das der Computer-Nerd. Der war schließlich auch nur ein Mann und Männer taten das doch angeblich andauernd.
Allerdings erschwerte dieses männliche Hobby die Lage für Julia ein wenig. Sie hatte ein eng begrenztes Zeitfenster , in dem die Toilette geputzt werden musste. Wenn sie länger brauchte, kam die Bunke mit der Stoppuhr angerannt und drohte ihr mit Lohnkürzungen. Und wenn der Kerl da drinnen noch länger brauchte, würde sie entweder die vorgeschriebene Zeit nicht einhalten oder die Kabine nicht reinigen können – beides würde damit enden, dass sie Ärger mit Frau Bunke bekam und das konnte sie sich heute wirklich nicht auch noch leisten.
Julia hatte keine Ahnung , wie lange ein Mann für so eine Angelegenheit brauchte. Wenn sie sich auf das verlassen wollte, was sie aus Filmen kannte, dann sollte er allerdings langsam mal zum Ende kommen. Das Geräusch war auch ganz schön obszön und sie wusste nicht, ob sie einfach die anderen Kabinen putzen und sich nichts aus dem stöhnenden Handwerker nebenan machen sollte oder ob sie lieber ganz aus dem Toilettenraum verschwinden sollte und irgendwo warten, bis der Kerl wieder herauskam.
Das zog sich wirklich hin und sie hatte 3 Toiletten räume à 16 Kabinen pro Etage zu putzen und noch 9 Etagen vor sich. Sie klopfte an die Tür der Kabine.
„Entschuldigung , ich möchte wirklich nicht Ihre Masturbation stören, aber können Sie mir vielleicht sagen, ob es noch lange dauert? Dann würde ich zuerst die Toiletten auf der 11. Etage putzen und später noch mal kommen.“
Es wurde schlagartig still hinter der dunkelgrauen Tür und Julia überle gte kurz, ob sie vielleicht zu weit gegangen war.
Kerle fanden es zwar immer total lustig, wenn sie Frauen mit ihren schmierigen Sprüchen zutexten und in Verlegenheit bringen konnten, aber vermu tlich fanden sie es nicht halb so witzig, wenn eine Frau dasselbe in die andere Richtung tat. Dabei hatte Julia absolut freundlich und mit ganz neutralem Tonfall gefragt, oder etwa nicht? Gar nicht schmierig, sondern eher wie ein besorgter Mitmensch.
Gott sei Dank war da eine verschlossene Tür zwischen ihnen. Der Mann konnte sie nicht sehen und sie ihn nicht. So blieb die ganze peinliche Situation immerhin einigermaßen anonym.
„Putzen Sie woanders!“, antwortete eine verärgerte Männerstimme. Sehr dunkel und aggressiv. Eine Stimme, wie sie sie dem
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