First Night - Der Vertrag (German Edition)
Abend um 23:25 Uhr.
„Hallo Thomas, ich nehme an, das ist dein richtiger Vorname!? Ich kann es selbst nicht glauben, dass ich dir wirklich schreibe. Aber die Anonymität unserer Bekanntschaft hat etwas ausgesprochen Reizvolles an sich. Grüße, Julia“
Julia? Welche Putzfrau hieß denn Julia? Putz frauen hießen Doris oder Birgit und Putzfrauen schrieben nicht so hochgestochene Texte. Die schrieben so was wie: Na, du Wichser, hast du Deinen Suff ausgeschlafen? Oder Hast du gut abgespritzt? Irgendetwas in der Art. Er schaltete seinen PC aus, war enttäuscht und auch ein bisschen wütend.
Die Presseabteilung meldete sich und wollte eine Anweisung, wie mit der neuesten Schmutzkampagne von Ines Mahler-Werth umzugehen sei. Ach, schon wieder eine neue Schmutzkampagne? In der heutigen Tage szeitung hatte jedenfalls nichts gestanden. Vielleicht hatte sie getwittert oder über Facebook gehetzt, das störte ihn nicht sonderlich. Das Internet war zu kurzlebig, um nachhaltigen Schaden anzurichten. Die Presseabteilung schickte ihm ein Video von einer Nachmittagstalkshow, in der Ines aufgetreten war und auf die Tränendrüse gedrückt hatte. Sie mimte die verstoßene, ausgebeutete und misshandelte Ehefrau eines reaktionären Chauvinisten und dabei war sie nur peinlich. War sich diese Frau denn für gar nichts zu schade?
Für den Abend hatte er sich mit der Juristin von der Rechtsabteilung zum Essen verabredet. Die jenige, die an seinem Geburtstag ihre Möpse ausgepackt hatte. Wenn schon, dann wollte er jemanden, der keine halben Sachen machte. Sie war blond wie Ines und aufgedonnert wie Ines, sogar etwas klüger als Ines und weltgewandt. Sie war schon überall gewesen, kannte alles und jeden. Sie war ein Yuppie durch und durch und er hasste sie schon nach der Suppe. Er nahm sie nicht mit zu sich nach Hause, sondern in ein Hotelzimmer im Adlon. Der Sex war … seltsam. Sie bemühte sich so sehr, ihn zu beeindrucken, dass es ihm zuviel wurde. Nichts davon war natürlich oder entsprang ihrer eigenen Sinnlichkeit oder Wollust. Es war alles nur aufgesetzt, perfekt inszeniert und dosiert. Es war ekelhaft. Er schickte sie weg, nachdem sie anfing, ihm einen zu blasen und ihm dabei auch noch einen eigenen Orgasmus vorspielte.
Er schlief im Prinzip nicht mit Mitarbeiterinnen, das gab erfahrungsgemäß Probleme hinterher, weil sie sich irgendetwas darauf einbildeten und dann plötzlich nicht mehr in ihrer Hierarchie funktionierten. Aber er war an seinem Geburtstag offenbar so betrunken gewesen, dass ihn sein gesunder Menschenverstand in jeder Hinsicht verlassen haben musste und er sie tatsächlich zum Abendessen eingeladen hatte.
Als Brockmann ihn nach diesem sexuellen Desaster nach Hause gefahren hatte und er schon im Bett lag, fuhr er noch einmal seinen Laptop hoch. Die Erinnerung an diesen grauenvollen Fick noch lebhaft vor Augen, antwortete er auf Julias Mail nur mit einer Frage:
„Warum bist du noch Jungfrau?“
Er hätte tausend andere Fragen stellen können. Wie alt bist du? Warum arbeitest du als Putzfrau? Willst du mir erzählen, wie Frauen sich selbst befriedigen? Aber nein, unter all diesen weitaus interessanteren Fragen hatte er ausgerechnet die dümmstmögliche herausgepickt. Vielleicht weil er sich wünschte, die missglückte Blondine hätte etwas mehr Unschuld und Natürlichkeit beim Sex besessen.
Julia schien gerade online zu sein, denn ihre Antwort kam postwe ndend.
„Angst vor der Liebe.“
Oh Mann! Sie hätte doch wirklich zig andere plausible Antworten geben können. Keine Zeit für Männer oder pflegebedürftige Angehörige oder schwere Krankheit seit der Jugend oder traumatisiert durch eine Vergewaltigung. Ja selbst wenn sie geschrieben hätte, dass sie dick und hässlich war und niemand sie wegen ihrer inneren Werte lieben würde, hätte ihn das nicht so vom Hocker gehauen wie diese vier lakonischen Worte. Thomas war versucht, den Laptop herunterzufahren. Das führte zu nichts. Das Gespräch oder besser gesagt der Mailkontakt ging in eine Richtung, die er nicht erwartet hatte und die er auch nicht haben wollte. Über Liebe reden konnte er mit … mit wem auch immer. Er wollte über schmutzige Sachen reden. Trotzdem tippte er ganz rasant eine Antwort in die Tasten:
„Was hat denn Liebe mit Sex zu tun?“
„Für mich alles!“ Sofortige Antwort.
„Du würdest mit keinem Mann schlafen, der dich nicht liebt?“, schrieb er genau so schnell zurück.
„Ich würde mit keinem Mann schlafen, den ich nicht
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