First Night - Der Vertrag (German Edition)
Telefon miteinander gesprochen hatten. Da hatte Ines gelacht und gesagt:
„Ach, du meine Güte, Sie sind Frau Blum! Und ich war die ganze Zeit e ifersüchtig auf Sie.“
Noch gemeiner hätte sie Conni wohl nicht beleidigen können. Das stets freundliche Gesicht seiner Sekretärin wurde starr, sie senkte den Blick und sagte leise:
„Das hätten Sie wirklich nicht sein müssen!“
Conni war Mitte Dreißig, wog bestimmt hundertzwanzig Kilo und hatte einen Hintern vom Ausmaß einer Regentonne, aber sie war die beste Sekretärin aller Zeiten. Das war das erste Mal gewesen, dass Thomas sich gefragt hatte, ob hinter Ines’ perfekten Brustimplantaten auch ein Herz schlug. Aber nicht das letzte Mal.
„Gut, ich bin in zwei Stunden da, Conni.“
„Ich melde mich wegen des Termins noch mal.“
„Danke. Ach Conni, noch was. Wissen Sie, welche Firma bei uns putzt?“
Einen Moment herrschte Schweigen am anderen Ende der Funkverbi ndung.
„Nein, Herr Mahler, aber ich werde mich erkundigen. Ist irgendetwas mit der Reinigungsfirma? Sind Sie unzufrieden?“
„Nein. Ich dachte nur, wenn Sie es aus dem Stegreif gewusst hätten … Nichts weiter. Wiederhören.“
Er legte auf und nahm eine Aspirin.
***
Um halb sieben am Morgen war Julia wieder zu Hause. Sie war nicht mehr zurück zu der Toilette im 10. Stock gegangen. Manchmal machte der Facility -Manager Stichproben und wenn es Beanstandungen gab, hagelte es Kündigungen, aber vielleicht kam sie dieses Mal ungeschoren davon und morgen würde sie es doppelt und dreifach nachholen.
Benni war schon aufgestanden , hatte sich gewaschen und die Zähne geputzt und er hatte sogar schon die Brote für sie beide geschmiert. Der Junge war einfach ein Schatz. Sie drückte ihn und lobte ihn, weil er so selbstständig und zuverlässig war, immerhin war er noch nicht mal sieben und dann frühstückten sie zusammen und besprachen den Tagesablauf, wie üblich.
„Ich schreibe heute Staatsrecht, das wird einfach. Dann hole ich dich um zwei vom Hort, und dann gehen wir noch eine Hose und Schuhe für dich kaufen.“
Er kaute hingebungsvoll auf seinem Brot und tat so, als wäre es das leckerste Frühstück aller Zeiten und da wusste sie sofort, er hatte etwas ausgefressen.
„Benni, was ist?“
Er stand auf, ging zu seinem Schulranzen im Flur und holte einen Zettel, den er vor sie auf den Tisch legte.
„Du sollst Herrn Kühn anrufen, er möchte mir dir sprechen.“
„Den Rektor?“
Ein heißer Stich fuhr ihr durchs Herz. Sie hatte so sehr um das Sorg erecht für Benni gekämpft, aber wenn es nur die kleinste Beanstandung von der Schule geben würde, ging der Kampf mit dem Jugendamt wieder von vorne los. Sie seufzte und sah Benni verzweifelt an. Sie hatte versucht, ihm zu erklären, dass er sich ganz brav und unauffällig verhalten musste, wenn er nicht in eine Pflegefamilie kommen wollte, dass er die anderen Kinder nicht ärgern durfte und den Lehrern gegenüber respektvoll sein sollte.
Das Problem war, Benni war einfach zu intelligent. Er langweilte sich endlos. Die anderen Kinder schikanierten ihn, weil er ein Einzelgänger war und die Lehrer förderten ihn nicht ausreichend . Stattdessen nannten sie seinen Unwillen, sich mit Dingen zu befassen, die er längst kannte, Aufsässigkeit.
Julia seufzte aus den tiefsten Tiefen ihres Herzens.
„Ich hab nichts gemacht, ehrlich!“, beteuerte der Junge und riss seine riesigen hellblauen Kulleraugen weit auf, weil er wusste, dass er sie mit diesem Blick regelmäßig rumkriegte. Wo auch immer er diese Augen herhatte, sie stammten jedenfalls nicht aus Julias Familie. Sie mussten von seinem Vater stammen, möge der Drecksack – unbekannterweise – Augenkrebs dafür bekommen.
Sie sah Benni streng mit halb geschlossenen Augen und krauser Stirn an. Solange sie den strengen Blick noch aufrechterhalten konnte, musste sie ihn ausspielen. Sie war viel zu nachgiebig, das wusste sie. Sie schaffte es einfach nicht, die strenge Mutter zu mimen. Wie auch? Sie könnte vom Alter her eher Bennis große Schwester sein. Das hatten die vom Jugendamt auch gesagt. Sie sei zu jung, sie habe kein gesichertes Einkommen, sie sei mitten im Studium und Benni sei bei einer erfahrenen Pflegemutter in viel besseren Händen.
Ihr Professor für Verwaltungsrecht hatte ihr beim Streit um das Sorg erecht geholfen. Er hatte für sie Widerspruch um Widerspruch formuliert, hatte sie zum Jugendamt begleitet und hatte diese Betonköpfe schließlich davon
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