First Night - Der Vertrag (German Edition)
Morgen. Sind Sie Frau Dietrich?“
„Ja, Herr Doktor Kurz schickt mich, ich soll die Akte hier abgeben.“ Julia hielt ihr den schwarzen Aktenumschlag entgegen und hoffte, die gestrenge Frau würde sie möglichst schnell erlösen, die Akte nehmen und sie wieder nach draußen gehen lassen.
„Einen Moment“, sagte sie eisig, drückte auf einen Knopf und sprach ins Sprechgerät: „Frau Dietrich ist jetzt da.“
„Gut, sie soll hereinkommen“, antwortete eine Männerstimme.
Die gestrenge Frau Blum nickte ihr zu. „Sie können jetzt rein!“
Julia rührte sich nicht von der Stelle. Sie hielt die Akte immer noch au sgestreckt von sich und gackerte unglücklich herum.
„Wie rein? Ich soll nur die Akte abgeben.“
„Herr Mahler möchte Sie sehen“, kam es lakonisch von der Sekretärin, die das Thema damit abgehakt hatte und sich wieder ihrem PC zuwandte.
„Ich soll da rein? Oh Gott, warum? Hab ich was falsch g emacht?“
Conni blickte wieder auf und sah Julia Dietrich noch einmal mit anderem Blick an. Sie konnte nicht verhindern, dass ihre Mimik ein winziges Quäntchen Verwirrung widerspiegelte. Das Mädchen schien nett und ganz normal zu sein und vor allem entsprach sie kein bisschen dem sonstigen Frauentyp von Mahler.
„Ich nehme an, Sie haben eher etwas richtig gemacht“, sagte sie eisig und erntete von dem Mädchen nur einen verständnislosen Blick. War es möglich, dass die Kleine noch nicht mit dem Boss geschl afen hatte? Falls ja, dann würde es wohl nicht mehr lange dauern. Nicht so, wie sie aussah. Sie war wirklich süß, nicht so eine aufgetakelte Fregatte wie Ines, aber irgendwie trotzdem oberste Liga.
„Lassen Sie den Chef nicht warten.“
Er blickte nicht gleich auf, als sie hereinkam. Sie blieb direkt hinter der Tür stehen und wartete ab.
„Guten Morgen. Ich bringe die Akte“, sagte sie ganz leise.
„Legen Sie die Akte da hin und nehmen Sie bitte kurz am Besprechungstisch Platz.“ Er sprach mit krächzender Stimme. Sie nahm an, dass er eine heftige Erkältung hatte. Sie kam vorsichtig an seinen Schreibtisch heran, legte die Akte schnell auf den Platz, den er ihr mit einer beiläufigen Handbewegung gezeigt hatte, geradeso als wäre der Schreibtisch ein wildes Raubtier, das ihr die Akte aus der Hand reißen würde, und dann trat sie vorsichtig wieder zurück und beeilte sich, auf dem nächstbesten Stuhl am Besprechungstisch Platz zu nehmen. Jetzt hob er den Kopf und stand auf und dann erkannte sie ihn wieder: Der einsame Wolf, der ihr bei Vittorio das fette Trinkgeld gegeben hatte.
Nun, das erklärte wenigstens seine Großzügigkeit. 50 Euro waren für einen Mann wie ihn wahrscheinlich weniger als 50 Cent für jeden anderen. A nsonsten erklärte es gar nichts, sondern warf nur Fragen auf. War es ein Zufall, dass ein Bonze wie er bei Vittorio essen ging? Gab es in Berlin auch am Montagabend nicht hunderte sehr viel exquisitere Restaurants, in denen er sein Trinkgeld loswerden konnte? War es ein Zufall, dass sie ausgerechnet in seiner Firma ein Praktikum machte?
Er blieb eine Weile hinter seinem Schreibtisch stehen und begutacht ete sie. Nicht aufdringlich und schon gar nicht so geil, wie viele andere Kerle das taten, sondern eher distanziert und neugierig. Mit diesem Anzug und der hellblauen Seidenkrawatte sah er wirklich sehr gut aus. Wow! Ein Anzug stand ihm auf jeden Fall besser als ein Poloshirt, und meiomei, das Outfit verstärkte den Eindruck des einsamen Wolfs nur noch.
„Sie kommen mir bekannt vor, Frau Dietrich.“
Julia fragte sich für einen winzigen Augenblick, ob er das nur schauspielerte. Aber herrje, warum sollte er ihr irgendetwas vorspielen? Ein Mann wie er sah hunderte von Leuten jeden Tag. Wie schnell vergaß er da eine kleine Bedienung bei einem schäbigen Italiener.
„Ich arbeite bei Vittorio. Sie waren da am Montag zu Gast. Danke noch einmal für das fürstliche Trinkgeld.“
„Ah ja, jetzt fällt es mir wieder ein. Das Mädchen, das sich mit scharfen Gerichten auskennt.“ Er lächelte ausgesprochen freundlich und sein Lächeln trug dazu bei, dass ihre Aufregung sich ein wenig legte. Sie lächelte zurück. Er kam um den Schreibtisch herum, nahm die Akte im Vorbeigehen mit und setzte sich dann zu ihr an den Besprechungstisch.
Er starrte sie eine ganze Weile lang an, ohne etwas zu sagen und i rgendwie schienen seine Gedanken ganz woanders zu sein. Dann endlich schlug er die Akte auf.
„Herrgott, das ist die falsche Akte. Ich wollte den
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