First Night - Der Vertrag (German Edition)
jetzt still. Lass die Erwachsenen reden. Unterbrich nicht! Blöde Erwachsene!“
Er stapfte zurück zu seinem Opa und nahm wieder die Vorlese-Zuhör-Position ein. Eigentlich interessierte er sich kein bisschen für Kinderbücher. Er holte sich lieber Fachzeitschriften aus der Bücherei oder Sachbücher über alle möglichen Themen, für die sich nicht mal Erwachsene interessierten. Im Prinzip hörte er seinem Opa nur zu, um ihm eine Freude zu machen, und die Erwachsenen sollten bloß nicht glauben, dass ihm irgendetwas von den ganzen Aufregungen entgangen war. Er war vielleicht ein Kind, aber kein Idiot. Er ließ es sich nur nicht anmerken, dass er ziemlich Schiss bekommen hatte, als er die Erwachsenen bei ihren aufgebrachten Gesprächen belauscht hatte. Man konnte ihm nicht vormachen, es wäre alles gut, wenn es nicht gut war. Schon gar nicht, wenn das Haus voll war mit Polizisten und ein Bodyguard XXL am Tisch saß, der sogar eine Pistole in der Jackentasche hatte – auch wenn Benni nur einen kurzen Blick darauf erhascht hatte, als der Mann die Jacke ausgezogen hatte. Er wusste ganz genau, dass heute Nachmittag irgendetwas mächtig schiefgelaufen war. Er war nur froh, dass Julia endlich gekommen war. Die nahm ihn wenigstens in den Arm und drückte ihn.
Jetzt natürlich nicht, weil sie mit den blöden Erwachsenen quatschen wol lte. Aber später, wenn sie ihn zu Bett brachte, dann würde sie ihn zudecken und ihm einen Kuss geben und ihm alles erzählen, denn Jule war die Einzige, die ihn nicht wie ein Kind behandelte. Dann würde sie solche Dinge sagen wie:
„Oh Gott, Benni , du bist ja so mutig. Ich als Kind hätte vor Angst gezittert.“ Oder: „Ich hätte mich vor Angst in einem Schrank verkrochen und hätte nachts Albträume gehabt.“
Sie machte das immer so, irgendwie heimtückisch , aber auch ziemlich schlau, denn dann kam er sich immer cool und stark vor und wollte sie unbedingt beschützen und dann sagte er üblicherweise solche Dinge: „Mach dir keine Sorgen, Jule, ich habe keine Angst und ich krieg das schon in den Griff!“
Schließlich hatte Jule wirklich schon genug um die Ohren und er wollte nicht , dass sie ebenso weglief wie seine Oma, nur weil er manchmal ein wenig anstrengender war als andere Kinder.
„Ich dachte , du bist in der Schweiz!“, kam es aufgebracht von hinten. Tante Heike war in der Tür aufgetaucht und den Wasserflaschen in ihrem Arm nach zu schließen, war sie im Keller gewesen.
„Wie bist du so schnell z urückgekommen?“
Tante Heike sah fertig aus. Sie hatte mindestens seit fünf Stunden ihren Li ppenstift nicht mehr erneuert und ihre ansonsten perfekt frisierte Jackie-O-Frisur war völlig verwüstet. Ihre Lachfalten sahen aus wie Ackerfurchen und ihre Mundwinkel hingen müde herab.
Julia hob abwehrend die Hände, weil das ausgerechnet eine Frage war, die sie definitiv nicht beantworten wollte , aber da kam nun auch der Kommissar herübergepoltert und baute sich mit bedrohlicher Körperhaltung vor Julia auf. Sein erster Satz zur Begrüßung klang gar nicht vielversprechend:
„ Sind Sie Julia Dietrich, Bennis Erziehungsberechtigte? Und Sie waren also in der Schweiz, während das passiert ist? Darf ich fragen, mit wem?“
Abgesehen davon , dass die Frage unverschämt war und ihn gar nichts anging, trug sie ganz bestimmt nichts zur Lösung des Falles bei. Trotzdem fühlte sich Julia angegriffen und ihr ehedem schon brüchiges Nervenkostüm wurde noch ein wenig brüchiger.
„Es war nur ein Kurztrip. Ich hatte geplant , morgen Nachmittag zurück sein. Benni ist von Samstag auf Sonntag immer bei seinem Opa. Ich habe ihn also nicht abgeschoben oder vernachlässigt.“
Ihre Stimme war aggressiv und beinahe so laut, wie die der Blondine im Fernseher. Der Leibwächter sah überrascht auf und drückte auf die Fernb edienung. Die Frau im Fernsehen verstummte schlagartig. Man sah nur noch die Bewegung ihrer dicken Botoxlippen.
War das wirklich der Frauentyp , auf den Thomas Mahler stand? Wenn Julia an diese Becker aus der Rechtsabteilung dachte, die war dasselbe Modell, nur noch ein wenig dünner und nicht ganz so nuttig. Angesichts dieser Art von Frauen fragte sie sich verwirrt, was Thomas wohl an ihr gefunden hatte, außer vielleicht ein intaktes Jungfernhäutchen.
Sie riss ihren Blick vom Fernseher los und wunderte sich über sich selbst. Sie hatte keinen Grund , eifersüchtig zu reagieren. Ha! Sie war eine gekaufte Jungfrau, nicht mehr, nicht weniger und die
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