First Night - Der Vertrag (German Edition)
imstande, ein Kind großzuziehen, und Sie reden so vor den Ohren eines Sechsjährigen. Kein Wunder, dass Sie keine Frau abgekriegt haben. Mit diesem rüpelhaften Verhalten! Und ich sag Ihnen noch mal, der Riese stand vor mir, so nahe wie Sie jetzt dastehen. Solche Schultern und einen Blick wie ein Gorilla hatte der und dann hat der so russisch geredet, wie die KGB-Leute im Film und mir ist das Herz in die Hose gerutscht. Aber Sie machen sich ja nur lustig über mich.“
„Vielleicht hat ja ihre feine Nichte nicht nur Beziehungen zum B usenfreund des Oberstaatsanwalts, sondern auch zur Russenmafia!“, giftete der Kommissar lautstark in Richtung Küche. „Vielleicht erzählt uns Fräulein-ich-war-auf-einem-Kurztrip-in-der-Schweiz ja, wo sie sich wirklich herumgetrieben hat, während hier angeblich die Russenmafia eingefallen ist, um ein Kind zu entführen, das quicklebendig hier herumtobt, anstatt im Bett zu liegen und zu schlafen.“
Julia hatte das Gefühl, im falschen Film zu sein.
Offenbar ging der Kleinkrieg zwischen Tante Heike und Kommissar Schmuddel schon seit Stunden und jetzt stellte sich auch noch heraus, dass der Kommissar ganz und gar nicht freiwillig hier war und es war klar, dass der verfickte Oberbonze nur Thomas sein konnte. Julia war sich nicht sicher, ob sie über diese Einmischung verärgert oder dankbar sein sollte, aber da fiel ihr Blick auf seinen überdimensionalen Bodyguard und sie war wirklich froh, dass er hier war, auch wenn offenbar keine Gefahr bestand. Seine Anwesenheit hatte etwas ungemein Beruhigendes.
Es gab einen längeren und unfreundlichen Wortwechsel zwischen Julia und dem Kommissar. Sie überzeugte ihn davon, dass er verschwinden und se inen Bericht schreiben sollte, und der Kommissar erklärte ihr, wenn es nach ihm ginge, würde er nicht einmal die Druckerschwärze für diesen schwachsinnigen Einsatz verschwenden, schließlich habe die Polizei auch Ernsthafteres zu tun, als zwei durchgeknallten Frauen den Abend zu verkürzen.
Durchgeknallt hatte sie wirklich noch niemand genannt, stellte Julia fest, obwohl der Schmuddel-Kommissar im Augenblick der Wahrheit ziemlich nahe kam. Sie stand nämlich kurz davor, dem Mann einen do ppelten Fauststoß in die Eier zu verpassen. Erschwerend kam hinzu, dass sich Tante Heike unablässig aus dem Hintergrund einmischte und sich darüber aufregte, dass niemand ihr glauben wollte.
Nach etwa zehn Minuten an unfreundlichen Sticheleien zog die Polizei en dlich ab und der Kommissar sagte zum Abschied mit einem schmierigen Tonfall, der Julia deutlich zu verstehen gab, dass er sie für ein Flittchen hielt:
„Und viele Grüße an Doktor N ickel.“
„Doktor Nickel?“, fragte Julia, nachdem sie endlich die Tür hinter den Pol izisten zugemacht hatte – es war viertel vor elf. „Wer ist bitte Doktor Nickel?“
Der Leibwächter-Hüne stand jetzt zum ersten Mal auf und faltete seinen Körper wie ein Klappmesser auf. Dann kam er lässig zu Julia herüberg eschlendert und schenkte ihr ein hinreißendes Gigolo-Lächeln von ganz oben herab, das ihr sagen sollte, er könne sowieso jede Frau haben und sie könne ihm ruhig dankbar sein, wenn er sich überhaupt für so einen Zwerg wie sie interessierte.
„Doktor Nickel ist der Persönliche von Mahler! Und du bist also meine Taekwondo-Partnerin, was? Hahaha, witzig! Du siehst gar nicht nach Taekwondo aus. Eher nach ein paar anderen heißen Sportarten. Hohoho!“
Er streckte ihr die Hand hin und sie war sich nicht sicher, ob sie Lust hatte, mit ihm Shake-hands zu spielen und sich von ihm duzen zu lassen. Auch ohne Brockmanns Warnung wäre ihr die Anmache dieses selbstgefälligen Kerls sofort auf den Geist gegangen.
„Ich bin eine Freundin von Eric, Eric Brockmann.“
„Oha!“, sagte er und machte tatsächlich zwei Schritte rückwärts und Julia war verblüfft, welche Wirkung der Name Brockmann hatte.
„ Eine Freundin oder die Freundin?“, fragte er, aber Julia zuckte nur die Schultern. Sie hatte echt keine Lust auf hohles Geplänkel mit einem sich selbst überschätzenden Kraftmeier. Sie würde ihn am liebsten wieder nach Hause schicken, aber sie musste zugeben, dass sie ziemlich froh über seine Anwesenheit war.
„Wie lange können Sie noch bleiben, Herr Seidlitz?“
Sie betonte seinen Nachnamen besonders eisig, damit er Bescheid wusste, dass sie nicht vorhatte, ihn zu duzen. Aber das Gigolo-Grinsen war ihm wohl angeboren. Er wackelte auch noch mit den Augenbrauen, als er
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