Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
Vom Netzwerk:
erzählt, mein Vater? Und dann erklär mir, was dich das angeht.«
    »Nichts, Signore. Das heißt, Sie sind mir wichtig, und deshalb ist mir alles wichtig, was mit Ihnen zu tun hat.«
    Mit solchen Bemerkungen versucht er immer wieder, mich weichzuklopfen, und das Schlimme ist, dass es ihm gelingt. Aber so dumm, mich von ihm einwickeln zu lassen, kann ich nicht ständig sein, meine Tagesration Dummheit hab ich heute schon bei Tiziana aufgebraucht, jetzt muss ich hart bleiben.
    »Junge, versuch bloß nicht, mir was vorzumachen. Du tust so, als wüsstest du nichts, aber du weißt viel zu viel. Und die Geschichte mit dem Kater-Sylvester-Glas, die kennst du auch, das weiß ich …«
    Diese Sache wurmt mich am meisten. Wenn dieses verfluchte Bürschchen alles weiß, was in meinem Leben danebengegangen ist, dann wird mich diese Geschichte noch in den Wahnsinn treiben. Wäre sie nicht passiert, wäre ich wahrscheinlich ein besserer Mensch oder zumindest jemand, der imstande ist, ab und zu das Grab seiner Mutter zu besuchen, was ich in den vergangenen sechzehn Monaten kein einziges Mal gemacht habe. Kein einziges Mal. Denn ich habe Angst, dass ich mit gesenktem Kopf dastehe und etwas höre, einen Seufzer, die ferne Stimme meiner Mutter, die sagt Was hast du getan, Fiorenzo? Ich könnte noch am Leben sein, mein Sohn, ich könnte noch am Leben sein …
    Ein Schauer läuft mir über den Rücken, dass sich mir die Nackenhaare sträuben. Ich schüttle mich, aber er vergeht nicht. Ich versuche, mich mit dem Jungen anzulegen, um mich abzureagieren.
    »Versuch bloß nicht mich auszutricksen, du Klugscheißer. Du weißt auch über Kater Sylvester Bescheid!«
    »Aber was soll ich denn wissen, Signore? Ich schwör’s, dass ich nichts weiß, ich schwör’s.«
    »Du weißt alles. Und hör auf zu schwören, sonst kommst du in die Hölle.«
    Der Junge schaut mich an, ganz ernst, aber wie ein aus dem Nest gefallenes Vögelchen, so dass du völlig wehrlos bist.
    »Dann machen wir’s doch so, Signore: Sie erzählen es mir einfach.«
    »Was?«
    »Die Geschichte vom Kater Sylvester.«
    »Das könnte dir so passen. Was zum Teufel willst du von mir, das geht dich gar nichts an.«
    »Ja, aber ich kenne sie doch sowieso schon. Also ist doch nichts dabei, wenn Sie sie mir noch mal erzählen.«
    Ein durchtriebener Mistkerl. Das wirft er so beiläufig hin, und dann beobachtet er wieder den Schwimmer, der genauso reglos und unnütz ist wie wir. Aber was erwartest du, wenn du nur ein paar Grashalme an den Haken hängst?
    Auch ich starre auf den Schwimmer und denke an den Schlick auf dem Grund des Kanals und an den glänzenden Stahl des Angelhakens in dieser dunklen Brühe.
    Und fast gedankenlos fange ich an, die Geschichte von diesem verdammten Glas zu erzählen. Unglaublich. Ich hab sie noch keinem erzählt, ich hab sie die ganze Zeit für mich behalten. Und mit den Monaten ist sie immer größer geworden, und ich habe Angst, wenn ich sie nicht loswerde, zerreißt sie mir noch das Herz, und ich sterbe.
    Außerdem kennt Mirko sie ja schon, was macht es da für einen Unterschied, wenn ich sie ihm noch mal erzähle?
    »Es war letztes Jahr, und … hey, kleiner Champion, in dieser Geschichte geht es auch ums Wichsen, das schockiert dich doch nicht, oder? Du wichst doch hoffentlich auch.«
    Der Junge antwortet nicht, er starrt auf den Schwimmer und macht ein komisches Gesicht.
    »Holst du dir einen runter, ja oder nein?«
    »…«
    »Komm schon, sag endlich Ja.«
    »Ganz selten mal.« Dabei zuckt er mit den Mundwinkeln und blinzelt, als hätte er einen nervösen Tick.
    »Na siehst du, ist ja auch nichts dabei, oder? Wir holen uns doch alle einen runter. Ich mach’s jetzt seltener, weil ich eine superheiße Frau habe, mit der ich ins Bett gehe. Aber ich bin eine Ausnahme.«
    Besser gesagt, ich war eine Ausnahme, bin aber schnell wieder zur Regel zurückgekehrt. Ich sehe Tiziana nackt unter mir liegen und ihren Gesichtsausdruck in solchen Momenten. Sie war wunderbar, aber meine Erinnerung an sie verblasst allmählich, und ich habe Angst, dass sie bald zu einem Traumbild wird und nur noch in meiner Phantasie existiert. Ist das alles tatsächlich passiert? Ich rufe mir meine Empfindungen in Erinnerung, die Gerüche, aber alles ist verworren und verzerrt. Das einzig Wahrhaftige ist jetzt der Schmerz.
    »Na, jedenfalls«, sage ich jetzt, »es war Frühling, und ich lag im Bett und hab mir vor dem Einschlafen schnell noch einen runtergeholt, einen

Weitere Kostenlose Bücher