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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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schwöre, dass ich in der nächsten Sekunde aufstehen und gehen wollte, um sie nie mehr wiederzusehen. Aber bevor diese eine Sekunde rum ist, sagt sie: »Na ja, ich würde sagen, wir gehen einfach mal.« Also sind wir gegangen.
    Und ich war unglaublich. Un-glaub-lich , im wahrsten Sinne des Wortes. Ich konnte es selbst nicht fassen. Es ging mindestens drei, vielleicht sogar vier Minuten lang, eine Ewigkeit. Und dabei dachte ich die ganze Zeit, wie himmelschreiend ungerecht es war, dass Tiziana ausgerechnet jetzt fortging, wo ich so ein wilder Hengst geworden war. Sie begreift nicht, was sie verliert, was ich verliere, es ist Wahnsinn.
    Auch wenn das alles vielleicht nur an der großen Traurigkeit lag, die ich in mir spürte. Ein normaler Mann würde doch in diesem bedrückten Zustand bestimmt keinen hochkriegen, ich dagegen habe drei volle Minuten durchgehalten, bevor ich gekommen bin.
    Tiziana jedenfalls hat es sehr genossen und lauter und länger gestöhnt als jemals zuvor. Sie hat mir den Rücken zerkratzt und ein total verzücktes Gesicht gemacht, und da habe ich sie, ohne lange nachzudenken, gefragt, ob es ihr gefällt.
    Den Lauten nach, die sie von sich gab, war’s eigentlich klar, aber ich wollte es einfach von ihr hören. Und sie sagte: »Ja, oh ja, es gefällt mir, Fiorenzo, und wie.«
    Das hätte genügen können. Genügen müssen. Aber ich wollte mehr: »Bleib hier, Tiziana, bleib hier, und es wird jeden Tag so sein.«
    Und plötzlich – nichts mehr. Absolut nichts mehr, kein Laut mehr, keine Umarmung, keine Bewegung, aber ich, schwitzend, mache immer weiter und stelle mich dumm, und Tiziana unter mir liegt regungslos da und schaut mich an.
    »Fiorenzo, hör auf, es ist idiotisch, was wir hier machen.«
    »Was? Aber nein, wieso? Stimmt doch gar nicht.«
    »Wir sind zwei Dummköpfe. Oder vielmehr nein, der Dumme bin ich.«
    Sie zieht die Beine an die Brust, verschränkt die Arme über den Knien, starrt an die Wand und beißt sich auf die Lippen. Sie rollt sich zusammen, bittet mich um Entschuldigung und spricht mir sogar das Recht auf Dummheit ab.
    Und dann Stille. Wie viel Stille lässt sich in einem geschlossenen Raum ertragen? In diesem Fall war das erträgliche Maß längst überschritten. Ich musste etwas sagen.
    »Hör mal, willst du, dass ich noch mal durchs Fenster verschwinde?«
    »…«
    »Oder kann ich die Tür benutzen?«
    Tiziana antwortet nicht. Sie schüttelt nur den Kopf, murmelt etwas vor sich hin, das ich nicht verstehe und das wohl auch gar nicht für mich bestimmt ist. Und als mir klar wird, dass sie nichts dagegen hat, wenn ich gehe, spüre ich wieder dieses Brennen in den Augen.
    Nein, verdammter Mist, diesmal nicht. Ich bin nackt, ich hab noch einen Steifen, und in diesem Zustand zu weinen ist das Bescheuertste, was man sich nur vorstellen kann.
    Also stürze ich mich auf meine Klamotten am Boden, raffe sie zusammen und versuche, sie irgendwie anzuziehen. Shorts, T-Shirt, Flip-Flops. Das tue ich seit neunzehn Jahren jeden Morgen, warum dauert es jetzt bloß so lange?
    »Fiorenzo, wirklich, ich wollte nicht. Das heißt, ich wollte schon, aber es ist alles so kompliziert. Ich will nicht, dass es dir meinetwegen schlecht geht. Mir geht’s schlecht und dir auch, und das hier war eine Dummheit. Ich weiß nicht, warum ich es gemacht habe, vielleicht weil ich … keine Ahnung … Vielleicht weil ich wissen wollte, ob …«
    Aber da bin ich schon fertig angezogen, mehr oder weniger, und fast aus dem Zimmer, die Treppe runter und auf der Straße. Und falls Tiziana noch etwas sagt, dann höre ich es nicht mehr.
    Das alles ist drei Stunden her. Und jetzt bin ich mit Mirko und meinem Vater am Kanal, und man braucht nicht viel Phantasie, um zu verstehen, wie ich mich fühle.
    »Hier nimm, setz dich.« Mein Vater zieht den Stuhl unter seinem Hintern hervor und hält ihn Mirko hin.
    »Nein, danke, ich steh ja sonst kaum.«
    »Du stehst nicht, weil du nicht stehen sollst. Setz dich hier drauf.«
    »Danke, aber ich möchte lieber …«
    »Setz dich und geh mir nicht auf den Senkel.«
    Mein Vater knallt ihm den Stuhl hin und lässt sich mit grimmiger Miene auf dem Boden nieder. Mirko setzt sich.
    Ich bleibe stehen, was gar nicht so gut ist, wenn man angelt, denn der Fisch sieht dich und wird misstrauisch. Fische haben Angst vor vertikalen Schatten, die quer über den Kanal fallen. Aber ich glaube, mein Vater angelt schon wieder ohne Köder, es kann mir also egal sein.
    »Haben Sie was gefangen,

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