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Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive

Titel: Fische füttern - Genovesi, F: Fische füttern - Esche Vive Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fabio Genovesi
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Signor Roberto?«
    »Nein. Aber besser so.«
    »Tut mir leid.«
    »Ich hab gesagt, besser so. Viel besser.«
    Der kleine Champion nickt und streckt sein kaputtes Bein aus. Er stützt das Kinn in die Hand und betrachtet den Schwimmer.
    »Und was machen die Jungs?«, fragt er.
    »Welche Jungs?«
    »Die anderen in der Mannschaft, meine Teamkollegen.«
    »Bah, auf die kannst du scheißen. Kein Stil, keine Klasse, absolut überhaupt nichts. Sieh zu, dass du gesund wirst, sonst geht alles den Bach runter.«
    Eine Taube fliegt vorbei. Dann eine Libelle. Und ich frage mich, warum sich diese Tiere, die doch fliegen könnten, wohin sie wollen, ausgerechnet für Muglione entschieden haben. Beim Schilf und bei den Seerosen leuchtet es mir ja ein, die sind dazu verdammt, zu bleiben, wo sie aus dem Boden wachsen, die Tauben und Libellen aber nicht.
    »Schluss jetzt, ich hab die Schnauze voll.« Mein Vater steht auf, am Hintern seiner Trainingshose kleben Erde und Schlamm. »Ich gehe.«
    Mirko bleibt sitzen und schaut ihn an, dann dreht er den Kopf zu mir. Er wirkt bekümmert. Ich habe keine Lust, irgendwohin zu gehen. Im Ortszentrum könnte ich Tiziana begegnen, die womöglich die letzten Einkäufe vor ihrer Abreise erledigt. Warme Klamotten, Wollpullis, vielleicht auch neue Unterwäsche, um was herzumachen, wenn sie jemanden findet, der sie flachlegt … Nein, ich will ihr nicht begegnen, ich will sie nie mehr wiedersehen, mir geht’s so schon beschissen genug.
    »Papa«, sage ich, »wenn du uns die Angel dalässt, angeln wir noch ein bisschen.«
    Mirko stößt einen Freudenschrei aus, springt auf und fängt an herumzuhüpfen, so hoch, dass ich bei jedem seiner Sprünge fürchte, er kommt nicht mehr auf den Boden zurück.
    »Yippie! Yippie!«
    »Was zum Teufel machst du da?«, brüllt mein Vater ihn an. »Du tust dir weh, du darfst dich nicht anstrengen!« Dann schaut er an dem Kleinen vorbei zu mir. »Hey, siehst du, wie hoch der springt? Der hätte auch Basketball-Champion werden können.«
    »Basketball! Saustark!«, sagt Mirko. »Das würde ich gern ausprobieren.«
    »Einen Dreck wirst du! Basketball ist absoluter Schwachsinn. Genau wie Fußball und Tennis, alles Schwachsinn. Das sagt schon der Name: Basketball spiel , Fußball spiel . Radsport dagegen … Radsport ist Sport, Radsport ist Schinderei, und du, Mirko, bist dafür geboren, dich abzuquälen, verstanden?«
    Mirko schnaubt, nickt und setzt sich wieder, das Kinn in die Hand gestützt, und starrt aufs Wasser.
    Der letzte Arzt, der bereit war, mit uns zu reden, meinte, Mirko sei nicht unbedingt dazu verurteilt, sein Leben lang zu humpeln, aber auf dem Fahrrad könne er nicht mehr als ein paar Runden drehen. Doch mein Vater lässt sich nicht beirren.
    Er ist mit seinem Vortrag fertig und dreht sich hierhin und dorthin, er tastet seinen Körper ab, weil er irgendetwas sucht, vielleicht Geld, um sich noch was zu trinken zu kaufen. Dann geht er, die leeren Bierdosen und den Weinkarton lässt er am Kanal zurück. Und uns auch.

ICH WÄRE SO GERN EIN FROSCH
    »Danke, Signore, ich bin so froh, ich habe so sehr gehofft, dass wir hierbleiben und angeln. Damit machen Sie mir eine große Freude, danke.«
    Ich hab’s nicht für ihn getan, sage aber trotzdem: »Bitte.«
    »Glauben Sie, dass jetzt ein Fisch anbeißt? Vielleicht sogar ein großer? Gibt es hier im Fluss überhaupt große Fische?«
    »Das ist kein Fluss, das ist ein Kanal.«
    »Gibt es hier im Kanal große Fische?«
    »Ja doch, einige.«
    »Und was war der größte Fisch, den Sie jemals gefangen haben?«
    »Ein Karpfen, an die zwölf Kilo.«
    »Zwölf Kilo!«
    »Vielleicht sogar dreizehn, ich habe ihn nicht gewogen, ich hatte keine Waage dabei.«
    »Konnten Sie ihn denn nicht zu Hause wiegen?«
    »Nein, ich habe ihn ja gleich wieder freigelassen.«
    »Freigelassen?«
    »Ja, ich habe ihn vom Angelhaken losgemacht und wieder ins Wasser gesetzt.«
    Der Junge sagt nichts mehr. Es kommt sehr selten vor, dass er den Mund hält, deshalb drehe ich den Kopf, um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist. Und da merke ich, dass er mich anschaut, wie mich noch nie jemand angeschaut hat.
    Mit der Bewunderung eines Menschen, der Tausende Kilometer weit gefahren ist, um zum Konzert zu kommen, und jetzt in der ersten Reihe sitzt, um sein Idol endlich live zu erleben. Ich kann nicht behaupten, dass mir das missfällt. Ich würde auch gern jemanden kennen, den ich so anschauen kann. Einen, der älter ist als ich, den ich viele

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