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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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genug für uns beide war.
    Kein Zweifel, Ben hatte damit gerechnet, dass ich zu ihm zog. Schließlich hatte er seinen ziemlich aussichtsreichen Job im Institut für Gerichtsmedizin in Oldenburg aufgegeben, um in meiner Nähe zu sein.
    Wir lernten uns vor zwei Jahren kurz vor Ende meines Studiums in Oldenburg kennen, nichts Spektakuläres, eine Studentenparty mit fünf verschiedenen Sorten Nudelsalat, Aufbackbaguettes und Bier aus der Flasche, im Hintergrund lief Achtzigerjahre-Musik und jeder erzählte jedem, was für ein mächtig interessantes Leben man hatte und welche rosigen Berufsaussichten einen erwarteten. Da ich nicht mitreden wollte bei solchen Themen, stand ich stumm abseits und langweilte mich. Ben arbeitete zu dieser Zeit bereits als Assistent in der Gerichtsmedizin und hasste das Gerede über seinen Job, weil immer alle so neugierig und angewidert darauf reagierten. Also rückte er ein Stück auf mich zu und sprach mich an, ich glaube, er fragte direkt, ob wir nicht nach draußen gehen wollten.
    Er war von Anfang an immer etwas verliebter in mich gewesen als ich in ihn. Dabei war Ben hübsch, vielleicht ein wenig zu hübsch, mit den glänzenden Locken eines Barockengels und einem Blick, der sich hell und freundlich einen Weg in jedes noch so komplizierte Seelenleben ebnen konnte.
    Als er sich damals vom Großstadtleben und dem Assistentenjob in der Gerichtsmedizin beurlauben ließ, hatten mich seine zweisamen Zukunftspläne zugegebenermaßen überrumpelt. Er hatte gesagt, dass er das Meer liebe und die ostfriesische Gemütlichkeit, doch am meisten liebe er mich.
    Wenn er dann das Thema Zusammenleben anschnitt, erzählteich meistens, dass Vater mich brauchte, weil er doch Witwer war und irgendwie immer knapp bei Kasse. Manchmal rückte ich auch ein wenig mit der Wahrheit heraus: Mir war nicht nach zwei Zahnbürsten, die einträchtig nebeneinander über dem gemeinsamen Waschbecken standen.
    Vielleicht hätte ich ihm schon viel eher sagen müssen, dass ich ihn nicht liebte. Dass es keine gemeinsame Zukunft geben würde. Dass er umsonst auf etwas in dieser Art hoffte. Doch ich hatte anscheinend diesen kurzen Augenblick in einer eigenen Wohnung gebraucht, um das zu begreifen.
    Wir trafen uns am selben Abend im «Mittelhaus», saßen an einem Holztisch in der Ecke und er sah mich mit erwartungsvollem Blick an, weil ich ihm gesagt hatte, dass es eine ziemlich wichtige Neuigkeit gebe.
    «Ich bin heute umgezogen», sagte ich zwischen zwei Matjesheringen.
    Ben stieß sein Bierglas um und das Bier landete auf seinem Teller. Erst rettete er sich mit dem Gedanken, es sei nur ein Scherz, und vermutete, dass ich endlich zu ihm zöge. Ich sah es an seinen fein gebogenen, leicht erhobenen Augenbrauen, dass er das dachte.
    «Du hast endlich die Koffer gepackt. Hey, was sagt denn dein Vater dazu? Der war perplex, stimmt’s?»
    Doch Vater war ja noch in Bulgarien und wusste nicht, dass er allein leben musste, sobald er zurückkam. Und Ben freute sich, gluckste über seinem Teller, in dem sich die gelbe Flüssigkeit mit seiner Bohnensuppe vermischte, ich konnte es riechen, Bier mit Bohnen, und mir war ein wenig übel. Nicht nur wegen des unappetitlichen Anblicks, sondern in erster Linie, weil ich ihm noch nicht gesagt hatte, dass ich die Koffer nicht bei ihm, sondern bei Liekedeler wieder auspacken wollte. Das tat ich nun.
    «Du willst was?», fragte er barsch und rührte wütend mit dem Löffel in der sämigen Masse aus Hausmannskost und Bier.
    «Sie haben den Dachboden ausgebaut und da ist eine gemütliche Wohnung frei geworden, mit unendlichem Blick über Wiesen bis hin zum Deich. Traumhaft! Und das Beste ist: Ich kann dort beinahe umsonst wohnen, nur die Nebenkosten werden berechnet. Ich wäre schön blöd, wenn ich das Angebot nicht annehmen würde. Verstehst du?»
    Ben schaute mich nicht an, ein sicheres Zeichen, dass er nicht verstand. «Seit wann arbeitest du dort, Okka?»
    Ich tat gleichgültig, zuckte mürrisch die Schultern und schaute mir intensiv die Bilder von friesischen Landschaften an den hellen Wänden an, die ich schon Tausende Male zuvor gesehen hatte. Ich wusste, worauf er hinauswollte.
    «Soll ich es dir sagen? Seit vier Wochen! Mensch, wie kannst du so   … so beschränkt sein und an deinem Arbeitsplatz wohnen wollen, noch dazu, wenn du weder die Menschen noch den Job so richtig kennst?» Es kam selten vor, dass Ben mit mir schimpfte.
    Ich faselte etwas von Radfahren und schlechtem Wetter und

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