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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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Unfall, und damit basta. Nun erwarte ich deinen Einsatz, Veronika. Henk Andreesen oder der Geldhahn wird zugedreht und wir lassen euch vertrocknen!»
    Und dann drehte dieser Mann sich um, sein verwinkeltes Gesicht schaute ein wenig erstaunt, als er sah, dass ein Mädchen schwach im Türrahmen hing.
    Gesa war sich sicher, dass sie bereits träumte, er sah aus wie eine Comicfigur, dieser Mann mit dem eigenartigen Haarschnitt und der albernen Fliege unterm Kinn.
    Was sie genau wusste, war, dass niemand sie auffing, als sie wie erloschen auf den Fußboden kippte.
     
    Manchmal klingelt das Telefon und man ahnt bereits, dass es ein unangenehmer Anruf ist, bevor man den Hörer an das Ohr hält. Ich weiß nicht, ob es ein unterschwellig mitklingendes Vibrieren ist, welches in der Luft knistert wie ein bevorstehendes Gewitter, vielleicht lag es auch daran, dass sich mein privates Telefon in meiner Wohnung erst wenige Male bei mir bemerkbar gemacht hat.
    Ich stand gerade unter der Dusche, genoss das warme Wasser, das mir den anstrengenden Tag vom Körper spülte. Der missglückte Versuch, meinen Vater zu besuchen, die anonyme E-Mail nach der Mittagspause und dann der merkwürdige Zusammenbruch von Gesa Boomgarden in Dr.   Schewes Büro, heute war viel passiert. Ich wollte nur noch duschen und danach ins Bett.
    «Mist», fluchte ich, als ich das Klingeln hörte, und ging mit einem flüchtig umgelegten Handtuch zum Telefon, die Seife lief mir quer über das Gesicht und brannte in den Augen. Vielleicht war es ja mein Vater. Ich hoffte, dass er sich melden würde. Ich hatte den ganzen Tag an ihn gedacht, nachdem ich mich heute Morgen so heimlich aus dem Haus geschlichen hatte.
    Mit Ben hatte ich nicht gerechnet.
    «Geht es dir gut?», fragte er mit seltsam gepresster Stimme.
    «Alles bestens», nuschelte ich. Er sollte gleich merken, dass mir sein Anruf alles andere als willkommen war.
    «Ich störe auch nicht lange», entschuldigte er sich. «Es geht auch nicht um irgendetwas Privates, keine Angst. Ich denke, ich werde die Sache mit dir irgendwie überleben. Es ist etwas anderes, weshalb ich dich in deinem neuen Leben heimsuche.»
    Ich sagte nichts und wischte mir den Schaum von den Lidern.
    «Wir haben den Fall Jolanda Pietrowska bei uns auf dem Tisch gehabt.»
    Nun merkte ich auf. Es war seltsam, dass Ben den Namen des toten Mädchens kannte und aussprach. «Was, Jolanda?»
    «Ja, du wunderst dich vielleicht, ich bin wieder in Oldenburg. Es ist kaum zehn Tage her, dass wir uns getrennt haben, aber mein Chef war froh, mich wieder hier zu haben. Und ausgerechnet an meinem ersten Tag habe ich dieses Mädchen zu obduzieren. Ich denke, ich kann mich auf deine Verschwiegenheit verlassen. Es ist nämlich so, dass irgendjemand etwas vertuschen will in diesem Fall.»
    «Etwas vertuschen? Wie kommst du darauf?»
    Er räusperte sich. «Kein Wort zu Dritten, verstanden?» Ich schickte als Bestätigung ein «Hmm» durch den Hörer, welches ihm als Zusage zu reichen schien. «Wir haben etwas in ihrem Kopf gefunden.»
    «Sie ist gefallen, Ben. Bei ‹Fischer, wie tief ist das Wasser› ist sie geschubst worden und mit dem Hinterkopf ganz unglücklich auf einen Stein geprallt. Es waren alle Kinder dabei und alle haben gesehen, wie Jolanda zum Krankenwagen getragen wurde. Ein ganz normaler tragischer Unfall. Und du willst mir jetzt was erzählen?»
    Ben zögerte. «Okka, du hast mir nicht richtig zugehört, ichhabe nicht gesagt, wir haben etwas
an
ihrem Kopf gefunden, sondern
in
ihrem Kopf.»
    Was zum Teufel sollten sie in Jolanda Pietrowskas Kopf gefunden haben, dachte ich. Sie war ein ganz normales Kind, von ihrer musischen Begabung mal abgesehen. So langsam begriff ich, dass Ben mir wirklich etwas Neues zu sagen hatte.
    Ben flüsterte beinahe. «Es ist verdammt gefährlich, es dir zu erzählen, ich sollte vielleicht doch lieber meine Schnauze   …»
    «Natürlich werde ich es für mich behalten», unterbrach ich ihn. «Ich bin die Letzte, die dich verpfeift, Ben. Also schieß los!»
    «Auch wenn es vielleicht um deine geliebte neue Arbeitsstelle geht und ich dir ein wenig den Kopf zurechtrücken muss?»
    «Kleiner Loyalitätstest, hmm?»
    «Es stimmt etwas nicht mit dem Tod des kleinen Mädchens. Und ich kann es drehen und wenden, wie ich will, es passt nicht zusammen. Die Leiche des Mädchens wurde direkt zu uns nach Oldenburg geschickt, damit wir den Unfallhergang rekonstruieren und den Tod durch Schädel-Hirn-Trauma

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