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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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medizinische Gutachten an. In dem Moment, wo ich die Unterschrift entziffert hatte, war mir klar, dass ich auf der Hut sein musste. Es gab ein gefährliches Spiel zwischen Dr.   Veronika Schewe und mir: Ich täuschte sie und sie täuschte mich. Ich hatte keine Ahnung, nach welchen Regeln hier gespielt wurde und ob meine Gegenspielerin nicht schon längst den ersten Zug gemacht hatte.
    Unter dem Schreiben, welches den Tod Jolanda Pietrowskas als Folge eines bei einem Spielunfall erlittenen Schädel-Hirn-Traumas auswies, stand ein Name, den ich bereits kannte:
Prof.   Birger Isken, Hannover.
     
    Gesa kannte sich aus mit Feuer. Gefürchtet hatte sie es nie, beherrschen konnte sie es, seit sie bei Liekedeler im Chemieraum eigenständig Versuche machen durften. Dieser alte Gasbrenner war vielleicht irgendwann einmal zum Erwärmen von altem Lack oder sonst etwas benutzt worden, nun hatten die Jahre den Schlauch angenagt und das wenige Gas, was noch im faustgroßen Metallbehälter verblieben war, reichte kaum, um damit ein genügend großes Loch in die Holzwand zu brennen. Sie musste deshalb präzise arbeiten. Gesa wusste, dass es kein Kinderspiel war, wenn man in einer Scheune mit Feuer hantierte, aber sie musste hier heraus.
    Gesa öffnete den Gashahn und drehte am Feuerstein, eine dünne, schlaffe Flamme flackerte aus dem Metallstab, Gesa ließ mehr Gas hinausströmen und erreichte endlich, dass ein harter, dichter Feuerstrahl herausschoss.
    Der Gestank von verbranntem Holz stach in ihrer Nase, als sie die ersten Zentimeter der Wand versengt hatte. Es ging besser, als sie befürchtet hatte, der Kreis, den sie herausschneiden wollte, war nach wenigen Minuten halb fertig. Doch dann begannendie schneidenden Flammen abzustumpfen, das Gas ging zur Neige und Gesa fluchte, als die nächsten Zentimeter genauso lang dauerten wie das Stück zuvor. Es war mühsam. Die Schritte ihres Vaters, sie erkannte sie unter allen Schritten der Welt wieder, und diese Schritte liefen im Moment draußen direkt an ihr vorbei. Sie stellte den Brenner aus und legte ihn zur Seite. Es war besser, wenn sie eine kleine Pause einlegte. Vater hatte eine gute Nase, besonders wenn es Brandgeruch war. Doch er ging vorbei. Gott sei Dank.
    Mist, das Gas war fast leer. Gesa schaffte es noch, drei, vielleicht vier Zentimeter in die Wand zu brennen, dann kam nichts mehr aus dem Feuerwerfer heraus. Kein Zischeln und erst recht keine Flamme. Wütend schob sie das Teil mit den Füßen von sich. Vielleicht ging es auch so, der Kreis war schon zu drei viertel ausgebrannt, sie fand die abgebrochene Feile und grub das poröse Metall tief in die Narbe, die das Feuer auf den Brettern hinterlassen hatte. Sie stieß durch die Wand, als sei diese aus Papier.
    «Ja!», entfuhr es ihr und sie machte weiter, es funktionierte wunderbar, Stück für Stück schob sie die Feile durch die Wand, bis sie die schwarze Feuerlinie ganz ausgehöhlt hatte. Nun musste sie das letzte Stück ausbrechen, dann wäre das Loch groß genug, dass sie sich hindurchdrängen und in die offene Scheune gelangen konnte. Das erste Stück Brett gab kampflos auf und zersplitterte beim zweiten Versuch, die andere Ecke war hartnäckiger. Gesa musste viel Kraft aufwenden, und es fiel ihr schwer, dies zu tun, denn der Qualm im Raum hatte sich auf ihrer Lunge abgelegt und zwang sie zu einem erstickten Husten. Sie stemmte sich mit der einen Seite gegen das Hindernis. Ihre Augen tränten, weil der Rauch in die Netzhaut zu beißen schien. Warum machte ihr die verbrannte Luft auf einmalso viel Schwierigkeiten? Sie hatte doch bis eben noch ohne Probleme   …
    Scheiße, der bekloppte Gasbrenner war wohl doch noch nicht ganz leer gewesen, vielleicht hatte seine Metallspitze auch noch geglüht. Gesa hatte keine Ahnung, wie es passiert war, aber als sie sich umschaute, krümmten sich Dutzende von Strohhalmen in einer heimlichen Glut. Und dann wagten sich an zwei Stellen gleichzeitig die ersten Flammen in die Höhe. Es brannte. Was sollte sie tun? Sie sprang auf und erwischte an einem Ende des Brandherdes eine kleine Flamme, die sie mit ihren Turnschuhen zertreten wollte, doch dem Feuer schien diese Art von Kampf nicht zu gefallen, denn es griff auf der anderen Seite umso wilder um sich.
    Gesa hielt sich den Mund zu, weil sie Angst davor hatte zu schreien. Sie musste verschwinden. Ihre einzige Chance bestand darin, dieses verfluchte Loch zu vergrößern. Wieder stemmte sie ihre Seite dagegen, sodass sich die Balken

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