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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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dass es, wie haben Sie es eben am Telefon ausgedrückt, ein bedauerlicher Unfall war, der jedem passieren könnte und an dem niemand eine Schuld trägt?»
    Sie nickte kurz und richtete sich wieder auf. Mit der Hand stieß sie gegen die Mappe, die ich eben so schnell und hastig viel zu dicht an den Tischrand gelegt hatte. Der dünne Ordner fiel zu Boden und blieb geöffnet liegen. Mein Herz klopfte bis in meine Kehle und ich konnte vor Schreck keine Luft holen.
    «Oh, entschuldigen Sie», sagte Dr.   Schewe und wollte sich gerade bücken, um die Papiere aufzuheben. Ich musste es verhindern! Wenn Sie die Blätter so liegen sah, dann wusste sie gleich, dass ich herumgeschnüffelt hatte, und dann war ich geliefert. Zum Glück war mein Verstand noch schneller als ihre Bewegungen und ich schmiss einen Satz in den Raum, der sie augenblicklich erstarren ließ. «Ich habe aber gehört, dass es sich eben nicht eindeutig um einen Unfall gehandelt hat!»
    «Sie haben WAS gehört?»
    Sie drehte sich hastig zu mir um und ihre Augen waren für einen kurzen Moment kalt und feindselig. Ich wich ihrem Blick nicht aus, während ich mit den Füßen nach dem heruntergefallenen Ordner tastete. «Ich habe gerüchteweise gehört, dass es bei der Autopsie von Jolanda Pietrowskas Leiche zu zwei verschiedenen Ergebnissen gekommen ist.» Es gelang mir, die Mappe unter den Schreibtisch zu ziehen.
    «Unsinn», sagte sie scharf. «Das Mädchen ist gestürzt und an ihren Schädelverletzungen verstorben. Sie haben den Bericht doch gesehen, er liegt uns schwarz auf weiß vor, schließlich muss unsere Versicherung den Fall übernehmen.»
    Ich versuchte, ruhig und gelassen zu wirken, als ich mich bückte, die Akte zuschlug und unter meinem Tisch hervorzog. «Ich würde den Bericht gern noch einmal sehen. Dann kann ich ihn für die Presse genau zitieren.»
    «Dann kommen Sie mit», sagte sie bestimmt und ich folgte ihr über den Flur bis in das Büro, in dem ich sie bei meinem Bewerbungsgespräch kennen gelernt hatte. Sie lief zielstrebig auf eine Wand zu, öffnete mehrere Aktenschränke, und mir war es so, als spiele sie nur die langwierige Suche nach dem gewünschten Papier. Etwas in mir sagte, dass sie nur zu genau wusste, welche Akte sie zur Hand nehmen musste.
    «In diesem Fall gehen Sie für meinen Geschmack ein wenig zu weit, Frau Leverenz. Kümmern Sie sich lieber um Henk Andreesen», sagte sie, ohne ihren Blick von der sinnlosen Sucherei im Schrank abzuwenden.
    «Meiner Ansicht nach haben Gerüchte wie dieses hier sehr viel mit meiner Aufgabe als Öffentlichkeitsmanagerin zu tun.» Ich sprach mit fester Stimme und setzte mich unaufgefordert in den Sessel vor ihrem Schreibtisch.
    Die Worte blieben im Raum stehen, Dr.   Schewe seufzte nur angespannt und leicht theatralisch, schließlich zog sie ein Blatt hervor und warf es mir lapidar in den Schoß.
    «Da ist das Gutachten. Medizinische Hochschule Hannover, eine der besten norddeutschen Adressen für solche Fälle. Ich weiß nicht, was es hier zu beanstanden gäbe.» Sie nahm mir gegenüber Platz, faltete die Hände auf der Schreibtischplatte und sah mich unverwandt an.
    «Wer hat Ihnen erzählt, dass es Probleme mit der Todesursache gibt?»
    Ich zuckte die Schultern. «Ich habe es gerüchteweise gehört, nichts wirklich Seriöses. Ich dachte nur, ich sollte Sie direkt darauf ansprechen   …»
    «Ja, das finde ich auch   … vollkommen in Ordnung. Es ist leider so: Wir haben Neider und Widersacher hier in der Provinz. Ich dachte, Sie wüssten das.»
    «Sjard hat mir davon erzählt», sagte ich und beobachtete die kleinen, skeptischen Falten, die auf ihrer Stirn auftauchten.
    «Wenn es nach der blühenden Phantasie einiger Ostfriesen geht, dann sind wir eine Sekte, betreiben Kinderhandel. Sie können sich gar nicht vorstellen, welche schlimmen Dinge uns noch alle angedichtet werden. Ich bin mir sicher, dieser Fall geht auf ein ähnliches Konto. Manche Leute wollen eben nicht, dass sich etwas verändert.» Sie seufzte. «Sie haben ja Recht, das Ausmerzen dieses dummen Geschwätzes gehört zu Ihren Aufgaben. Und ehrlich gesagt: Ich beneide Sie nicht darum!»
    Ich zuckte die Schultern und schwieg. Mein Instinkt sagte mir, dass ich mich besser ein wenig zurückhalten sollte. Lieber keine Fragen mehr stellen, wer weiß, ob Silvia Mühring ihr nicht schon von dem Vorfall mit dem verschwundenen Schlüssel erzählt und sie somit in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt hatte.Ich schaute mir das

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