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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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konnte. «Veronika, also Dr.   Schewe, war außer sich, sie sagte, Sie hätten in ihrem Büro merkwürdige Fragen gestellt und unglaubliche Thesen in den Raum geworfen.»
    Ich spürte, wie saure Wut in mir aufstieg. «Und nun hat sie ihren Stellvertreter dazu aufgefordert, mir die Leviten zu lesen?»
    Er stand mit der Flasche Bier in der Hand vor mir, blickte zu Boden und ich merkte, dass er sich alles andere als wohl in seiner Rolle fühlte.
    «Hören Sie zu, es gab Ärger mit dem Stiftungsgeber. Er will sozusagen expandieren, will die Idee von Liekedeler bundesweit,vielleicht sogar in ganz Europa verbreiten. Das Geld zur Erfüllung seiner Pläne ist da, doch er stellt hohe Ansprüche und sieht es gern, wenn jeder nach seinen Vorstellungen tanzt.»
    «Aha», sagte ich nur trocken. «Und wenn ich nun mal nicht gerne tanze?»
    «Ich glaube nicht, dass es irgendjemandem nutzt, wenn Sie auf Biegen und Brechen Dingen auf den Grund gehen wollen, die es gar nicht gibt.» Er schaute mich an, es war wieder dieser Blick, der länger anhielt, als er müsste. Und der ehrlich war und ein Gefühl der Nähe in mir weckte, sogar Vertrauen.
    «Warum soll vertuscht werden, dass Jolanda Pietrowska ein chronisches Leiden hatte, welches zu ihrem Tod führte? Warum zieht man einen Unfall vor? Welches Interesse hat dieser Professor, seine Unterschrift auf eine unwahre Urkunde zu setzen?»
    Sjard Dieken starrte mich an. «Woher wissen Sie vom Professor?»
    «Spielt es eine Rolle? Kann es denn nicht sein, dass ich schlau genug bin, eins und eins zusammenzuzählen?» Ich wich ein wenig vor ihm zurück. «Erklären Sie mir die Zusammenhänge zwischen Liekedeler und einem Wissenschaftler, der als Gehirnforscher und Leiter eines Pharmakonzerns Interesse am Wohlergehen mittelloser, durchschnittlicher Kinder hat. Erklären Sie es mir! Und wenn ich es verstanden habe, dann will ich lieb und brav sein und mir Ihre von Dr.   Schewe vorgegebenen Gardinenpredigten anhören! Versprochen.»
    «Ich kann es nicht», sagte Sjard zerknirscht wie ein Schuljunge, der seine Vokabeln nicht gelernt hatte.
    «Weshalb sind Sie der besondere Schützling von Professor Birger Isken? Was steckt dahinter?»
    «Okka Leverenz, ich bin ein brauchbarer Pädagoge und meineExamensarbeit hat den Professor   … nun ja   … beeindruckt. Da gibt es keine Ungereimtheiten, so etwas kommt häufiger vor.»
    Doch ich hatte Lust, mich zu streiten und Sjard Dieken zu provozieren. Ich wusste, es lag daran, dass sich ein schmerzhafter Zweifel zwischen ihn und mich geschoben hatte, der sich nicht so einfach wieder ausräumen ließ, wie es Sjard wohl recht gewesen wäre. Es tat weh, denn ausgerechnet er war der Mann, bei dem ich zum ersten Mal das Gefühl hatte, dass an dieser viel zitierten Sache mit der Liebe auf den ersten Blick etwas dran war.
    «Warum sind die Kinder hier so merkwürdig?», fragte ich ihn eindringlich.
    Er schien mir nicht antworten zu wollen, schüttelte nur den Kopf, also redete ich weiter auf ihn ein: «Auf den ersten Blick sind sie alle süß und freundlich und wie eine große Familie. Doch manchmal, wenn sie sich unbeobachtet fühlen, dann sind sie grausam und rücksichtslos. Denken Sie an die Vorfälle, die ich Ihnen über Gesa Boomgarden erzählt habe. So etwas ist doch nicht normal! Dass man ein schwächeres Kind aus dem Fenster stürzen will, weil man meint, es könnte mehr geliebt und beachtet werden   …»
    «Gesa Boomgarden ist eine Ausnahme, Sie kennen ihr Schicksal», unterbrach er mich.
    «Ich habe noch einen ähnlichen Fall beobachtet. Erzählen Sie mir nicht, es sei eine Ausnahme. Die Kinder hier sind anders, sie sind begabt und intelligent und irgendwie aggressiv!»
    Sjard stürzte sein Bier in einem Zug hinunter. Er war sichtlich nervös. Dann griff er mein Handgelenk und hielt es so fest, dass ich meinen Puls fühlen konnte. «Meinen Sie, sie sind mir egal, die Kinder? Henk Andreesen, Gesa Boomgarden, Dirk van Looden und die anderen? Sie sind mir wichtiger als Stiftungsgelderund Studienziele und die Anerkennung im Kollegenkreis. Und weil sie mir so verdammt wichtig sind, muss ich Sie davon abbringen, dass Sie mit blindem Eifer alles zerstören.»
    «Und wenn die Sache nun andersherum läuft? Jolanda stirbt an Blutungen im Gehirn, Gesa sackt im Büro zusammen, angeblich weil der Kreislauf zusammengebrochen ist, und Malin Andreesen flüchtet mit Henk nach Juist, weil der Junge es vor Schmerzen nicht mehr bei uns aushalten kann. Ist das ein

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