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Fischer, wie tief ist das Wasser

Fischer, wie tief ist das Wasser

Titel: Fischer, wie tief ist das Wasser Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sandra Lüpkes
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einem gewissen Ben.»
    «Ben? Wer ist das? Und worum ging es bei dem Gespräch?» Birgers Ton war nach wie vor scharf und jeder im Raum fühlte sich davon geschnitten.
    Veronika Schewe ging von ihrem sicheren Platz an der Wand quer durch den Raum und setzte sich direkt vor Birger auf die Kante des Schreibtisches. «Wir wissen nicht, woher dieser Anruf kam, doch wir haben das Gespräch aufgezeichnet. Vielleicht weißt du etwas damit anzufangen.» Sie holte den winzigen C D-Player aus der Schublade und steckte eine silbern glänzende Minidisc hinein.
    Alle waren still, Veronika selbst hielt auch die Luft an. Sie wusste, was auf der CD war.
    «Ben hier. Peter, was ist? Du hast versucht, mich zu erreichen!»
    «Sie waren hier, sie haben nach Okka gefragt.»
    Die Stimmen klangen so klar, als wären die telefonierenden Personen unsichtbar in ihre Mitte getreten. Die erste Stimme war jung, atmete ein wenig schnell oder aufgeregt, so als wäre die Person, die dazugehörte, gerannt.
    «Liekedeler? Was hast du ihnen gesagt?»
    «Na, was schon, die Wahrheit. Ich hab keine Ahnung, wo Okka steckt.»
    «Du wolltest sie doch mitnehmen aus der Klinik. Scheiße.» Die kleine Pause war von einem hektischen Atemzug gefüllt. «Ich dachte die ganze Zeit, sie wäre bei dir. Du wolltest ihr doch alles erzählen.»
    Peter Leverenz lachte kurz auf, auch er klang nicht besonders erfreut. «Du kennst doch Okka, sie fing schon an zu meutern, als ich nicht in Richtung ihrer neuen Wohnung abgebogen bin. Dann habe ich versucht, es ihr im Auto zu erklären, wirklich, aber sie hat auf stur gestellt. Sie war wie besessen von dem Gedanken, den Kindern irgendwie zu helfen. Und als dann der Name Sjard Dieken fiel und ich andeutete, dass er sie vielleicht mit Absicht im Stich gelassen hat, gingen bei Okka alle Lampen aus. Tja, und dann ist sie abgehauen.»
    Wieder eine Pause. Man konnte ein aufgeregtes Schnauben hören. «Mein Gott, du hättest sie nicht gehen lassen dürfen. Jetzt weißt du es selbst: Sie sind hinter ihr her! Scheiße!» Totenstille.
    «Hast du ihr nichts von Rytephamol-B erzählt?»
    «Was?», brüllte Birger Isken und Veronika Schewe stellte das Diktiergerät sofort auf Pause. «Was hat der da gesagt?»
    Sie drückte die letzten Sekunden der Aufnahme zurück.
    «…   ihr her! Scheiße!   … Hast du ihr nichts von Rytephamol-B erzählt?»
    Birger Isken erhob sich. Er war riesig. Er war schon immer ein großer Mann gewesen, doch in diesem Moment war er riesig. «Woher wissen die das?»
    Niemand sagte etwas. Auch wenn sie die Antwort gewusst hätten, niemand hätte in diesem Moment gewagt, das Wort zu ergreifen.
    «Kann mir mal einer erklären, warum irgend so ein Ben Sonstwer über unser Projekt Bescheid weiß? Meine Güte, wir zahlen den ganzen Ärzten und unseren Leuten in den Labors weiß Gott genug Schweigegeld, da kann und darf nichts durchsickern. Sie wissen doch alle, dass alles verloren ist, wenn nur ein einziger Nichtbeteiligter von den Tests erfährt. Verdammt nochmal, wo ist die undichte Stelle?» Birger Isken stützte sich mit beiden Händen auf die Schreibtischplatte und schaute jedem der Reihe nach in die Augen. Als er Veronika Schewes Blick begegnete, hielt er inne. Und dann sprach er leise.
    Wenn er leise sprach, stand es schlimmer, als wenn er schrie. Es war die höchste Steigerung, mit der er seine Erregung zum Ausdruck brachte. Veronika Schewe kannte diesen Mann. Sie kannte ihn schon ewig.
    Doch so leise hatte er noch nie zu ihr gesprochen.
    «Es geht nicht. Sie müssen alle weg. Okka Leverenz und ihr Vater, dieser allwissende Ben   … Wir sind so nah am Ziel. Krieg endlich raus, wo diese Okka Leverenz steckt, und dann müssen sie alle weg!»
     
    Mein Gott, war es hier friedlich.
    Ich hatte vielleicht eine Stunde geschlafen, nicht viel länger, die Lautsprecherdurchsage, dass die Fähre gleich im Juister Hafenfestmachte, hatte mich geweckt. Ich fühlte mich immer noch elend, aber nicht mehr ganz so jämmerlich wie vor dem Schlaf. Meine Beine trugen mich mehr schlecht als recht vom Schiff, ohne größere Probleme konnte ich den Fahrkartenkontrolleur davon überzeugen, dass ich mein Portemonnaie vergessen hatte und nach meinem Besuch bei der Familie Andreesen das Ticket ganz schnell nachlösen würde. Wer weiß, vielleicht würde ich das tatsächlich tun. Und so betrat ich ein Stück heile Welt.
    Ich war noch nie hier gewesen. Doch auf dieser Insel kennt man sich sofort aus. Wo sollte man sich auch verlaufen?

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