Fischland Mord - Küsten-Krimi
er sich endlich nicht mehr rührte, überlegten
wir, was wir mit seiner Leiche tun sollten. Bevor wir uns einen Plan
zurechtlegen konnten, telefonierte Degenhards Frau mal wieder hinter ihm her.
Er bekam Schiss, dass sie noch misstrauischer wurde und die ganze Aktion umsonst
gewesen war. Also haute er ab und ließ mich mit dem Problem sitzen.« Arnold sah
verächtlich in Degenhards Richtung. »Ich stand allein da mit einem Toten – und
es war, als würde sich ganz langsam ein Schleier heben. Ich hatte einen
Menschen getötet. Ich verlor fast die Kontrolle über meinen Körper und meinen
Verstand. Dann machte etwas klick in meinem Kopf. Ich hörte auf zu zittern und
dachte plötzlich, alles wäre ganz einfach: Ich musste Kind nur da abliefern, wo
er hingehörte, in seinem Pensionszimmer. Die Vorstellung, nicht für den Rest
meines Lebens mit der Angst leben zu müssen, dass man Kinds Leiche finden
könnte, weil sie ohnehin sofort gefunden wird, schien verlockend logisch. Dass
das in Wirklichkeit vollkommen irrational war und meine eigene Sicherheit
bedrohte, spielte keine Rolle. In dem Moment war es richtig, und nachdem ich
den Entschluss gefasst hatte, tat ich alles wie ferngesteuert. Ich zog Kind aus
dem Wasser, suchte in seinen Taschen nach seinen Schlüsseln, wickelte ihn in
eine Decke aus seinem Kofferraum und fuhr los. Als ich zur Pension kam, stellte
ich fest, dass es einen unverschlossenen Durchgang zum Hof gab, und ich wusste
ja, dass Kinds Zimmer nach hinten raus ging und im Erdgeschoss lag. Er hatte
das Fenster offen stehen lassen, es sah ganz leicht aus einzusteigen. Aber Kind
war schwer, ich war froh, ihn endlich auf seinem Bett ablegen zu können. Als
ich ihn da liegen sah, machte erneut etwas klick in meinem Kopf. Ich begann
viel zu spät, tatsächlich wieder meinen Verstand einzuschalten, und war kurz
davor, mir Kind ein zweites Mal auf die Schultern zu laden, zum Bodden
zurückzubringen und ihn da auf Nimmerwiedersehen zu versenken. Aber ich hatte
schon mächtig Dusel gehabt, dass ich bisher unbeobachtet geblieben war. Das
Risiko, doch noch mit seiner Leiche gesehen zu werden, wollte ich nicht
eingehen. Also verbrachte ich die nächsten zehn Minuten damit, das Zimmer nach
allem zu durchsuchen, womit man Kind identifizieren konnte. Am Ende packte ich
den ganzen Kram zusammen mit seinem Laptop in seine Aktentasche, wischte meine
Dreckspuren vom Parkett und die Fingerabdrücke von allem ab, was ich angefasst
hatte, und verließ den Raum auf demselben Weg, auf dem ich gekommen war. Ich
fuhr mit Kinds Wagen nach Rostock, stellte ihn auf einem Schrottplatz zwischen
jeder Menge Rostlauben ab und demolierte ihn, damit er nicht auffiel. Danach
rief ich Degenhard an, der jemanden in Rostock kannte, von dem ich ein Auto
leihen konnte, um zurück nach Wustrow zu fahren. Ich parkte den Wagen am Hafen,
ließ den Schlüssel stecken und ging zu Fuß zu meinem eigenen, der noch am
Bodden stand. Dass es später in der Nacht einen Sturzbach regnete, der meine
Fußspuren in Kassandras Garten und sogar die Reifenspuren verschwinden ließ,
war ein günstiger Zufall. Um den fremden Wagen hat sich Degenhard am nächsten
Tag gekümmert. Ich verbrannte die Decke und alle Klamotten, die ich getragen
hatte, ließ meinen Wagen waschen und reinigen und habe Wustrow erst am Tag vor
der Ausstellung wiedergesehen. Soweit Gerlinde Meerbusch wusste, warf ich zu
dem Zeitpunkt zum ersten Mal in meinem Leben einen Blick auf den Bodden.«
Arnold ließ sich erschöpft gegen die Wand fallen.
Niemand sagte etwas, bis Johannsen sich räusperte. »Herr Degenhard?
Haben Sie noch was hinzuzufügen?«
Raimund Degenhard war kreideweiß. »Davon ist kein Wort wahr, was
mich betrifft. Ich sage Ihnen, ich habe in dieser Nacht meine Wohnung nicht
verlassen, meine Frau kann das bestätigen.«
»Sicher«, sagte Arnold. »Du musstest deiner Frau ja die Wahrheit
sagen, nachdem Kinds Leiche gefunden wurde, damit du im Zweifelsfall ein Alibi
hast. Tut mir leid, dass ich dir einen Strich durch die Rechnung gemacht habe.
Aber ich schätze, ihr war es immer noch lieber, für dich zu lügen und deine
Affäre mit Violetta zu ertragen, als den Skandal, der auch ihre Galerie
beträfe, wenn rauskäme, dass ihr Mann einen Mord begangen hat.«
»Blödsinn«, fauchte Degenhard.
Arnold lächelte müde. »Du warst bei Susanne Boes. Die wird sich
bestimmt an den Mann mit dem Geldkoffer erinnern. Leichtsinnig von dir.« Er
wandte sich an Johannsen. »Würden Sie
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