Fischland Mord - Küsten-Krimi
Vorlage von Freese, der behauptet hat, ich hätte Tina geschlagen
– und wie ich Idiot mich vorhin benommen habe. Ist dir da die Idee gekommen?«
Er wandte sich an Menning. »Kann ich jetzt meine Aussage machen? Ich werde nur
hier reden, nur solange Tina noch dort liegt. Ich hab’s für sie getan, und auch
wenn sie es nicht mehr hören kann, will ich in ihrer und der Gegenwart aller
anderen sagen, wie es gewesen ist. Was Sie danach mit mir tun, ist mir egal.
Mein Leben ist sowieso vorbei.«
»Herr Kesting, es ist sicher besser, wenn …«, fing Menning an.
»Claus, lassen wir ihn reden. Wir sollten vermeiden, dass das ein
noch größeres Drama wird, als es schon ist.« Johannsen ergriff zum ersten Mal
das Wort, aber Kassandra war aufgefallen, dass er jedes Detail und jede Person
im Raum sehr aufmerksam beobachtet hatte.
Menning tauschte einen Blick mit Johannsen, dann nickte er Arnold
zu. »Bitte.«
Arnold griff nach seinen Krücken, versuchte mühevoll, sich daran
hochzuziehen, und nahm schließlich Jonas’ Hilfe an. Dabei sah er zu der
Rechtsmedizinerin, die gerade wieder die Decke über Tina breitete. »Tina und ich
sind uns vor zweieinhalb Jahren zum ersten Mal begegnet«, begann er. Was er
dann erzählte, entsprach dem, was Kassandra von Tina gehört hatte. Als er von
der Erpressergeschichte berichtete, bestritt Degenhard nachdrücklich, jemals in
etwas Derartiges verwickelt gewesen zu sein.
Johannsen schnitt ihm kurzerhand das Wort ab. »Sie können später
Ihre Aussage machen. Bitte fahren Sie fort, Herr Kesting.«
»Vor einigen Wochen hatte ich einen Termin bei einer Galerie, die
daran interessiert war, eine Ausstellung mit mir zu machen. Degenhard war
ebenfalls da wegen eines Gutachtens für ein Gemälde. Die Galeristin machte uns
bekannt, nicht ahnend, dass wir beide schon mehr miteinander geteilt hatten,
als uns lieb war. Als sie uns allein ließ, machte ich eine Bemerkung über Josef
Kind, die auf unerwartet fruchtbaren Boden fiel. Ich hatte angenommen, die
Sache sei für ihn längst gegessen, aber er war postwendend in die nächste
Misere geschliddert.« Er sah zu Violetta, die errötete. »Degenhard war so
wütend, dass er nicht aufpasste, was er sagte – und ich erfuhr, dass es Kind
bei der Erpressung gar nicht um eine persönliche Sache gegangen war, wie Tina
gesagt hatte, sondern um gefälschte Expertisen. Da Degenhard weiter erpresst
wurde, hieß das für mich, dass Kind Geschmack an dieser Art Geschäft gefunden
hatte. Ich bedauerte längst, Tina verlassen zu haben, und befürchtete jetzt
außerdem, er könnte sie später wieder einspannen. Andererseits war mir durch
Tinas Verhalten auch klar, dass sie, vor die Wahl gestellt, immer auf der Seite
ihres Vaters stehen würde. Wenn ich für Tina und mich eine zweite Chance
wollte, gab es nur eins: Josef Kind ausschalten.« Arnold hielt inne, um auf
Degenhard hinunterzuschauen. »Ich weiß nicht, wer von uns Kind mehr hasste: ich
oder er. Dabei war die Lösung unseres Problems so simpel, dass es uns
verblüffte, nicht schon längst darauf gekommen zu sein. Wenn rauskäme, dass
Kind mit falschen Gutachten arbeitete, würde er seinen Ruf vergessen können.
Wir fanden es an der Zeit, endlich mal Druck auf ihn auszuüben. Gegen mich hatte er nicht das Geringste in der Hand, deshalb wollte
ich mit ihm Kontakt aufnehmen. Wo er sich aufhielt, erfuhren wir überraschend
schnell, als Raimund bei Violetta Grabe war – und auf der Couch einschlief.
Irgendwann wachte er auf, hörte sie im Nebenzimmer telefonieren und von einem
Gast erzählen, der in der Pension ihrer Freundin wohnte. Sie schilderte den
Mann namens Ferdinand Thun so detailliert, dass Raimund sofort Kind in ihm
erkannte, und sie erwähnte sogar das bescheidene Zimmer mit dem Garten davor.
Niemand hätte gedacht, dass ich diese letzte Information mal nutzen würde.«
Arnold holte tief Luft. »Kind war also ausgerechnet auf dem
Fischland, wo Tinas und meine Ausstellung stattfinden sollte. Was für eine
Ironie. Ich schickte ihm ein Vorabexemplar des Ausstellungskatalogs mit der
Bitte um ein Treffen und dem Hinweis, Tina hätte mir gesagt, wo er steckte,
weil sie wollte, dass wir uns aussprechen. Der Treffpunkt nach Mitternacht und
möglichst weit ab vom Schuss in Barnstorf war sein Vorschlag. Er wollte nicht
mit einem Künstler in der Öffentlichkeit gesehen werden, bevor er seinen Job
hier erledigt hatte – und vor allem wollte er, dass andere nach seiner Pfeife
tanzen. Wir hätten uns
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