Fischland Mord - Küsten-Krimi
entspannte sich. »Dann hat der Mord
tatsächlich was mit Kinds Job zu tun und nicht mit anderen dubiosen Dingen. Das
beruhigt mich. Wer weiß, in was Kassandra sonst noch verstrickt worden wäre,
weil man seine Leiche bei ihr gefunden hat.« An dieser Stelle legte er beschützend
den Arm um sie.
Die Geste blieb Kesting natürlich nicht verborgen. »Da können Sie
unbesorgt sein.« Er richtete die Worte an Jonas, blickte dabei aber Kassandra an. »Bitte entschuldigen Sie mich, ich muss ein bisschen
die Runde machen.«
Kassandra schaute ihm hinterher und bemerkte, dass er vom
Kurdirektor angesprochen wurde, sich aber nicht auf das Gespräch konzentrierte.
Ab und zu sah er zu einer Gruppe weiter hinten im Raum, die sich um Tina
Bodenstedt gebildet hatte. Lag da Widerwillen in seiner Körperhaltung? Ohne
ihren Blick von Kesting zu lösen, sagte Kassandra zu Jonas:
»Nicht übel. Du hast ihm eine plausible
Erklärung für dein beharrliches Nachhaken geliefert, aber Freunde
werdet ihr in diesem Leben wohl nicht.« Nun drehte sie sich doch um.
»Nein«, gab Jonas zu. »An die Bodenstedt komm ich leider auch nicht
ran. Die Frau ist ständig umgeben von einer Horde hochgeistiger Kunstkenner,
die mit ihr darüber diskutieren, warum der linke Busen ihrer Plastik ›Dame mit
Schmetterling‹ einen Millimeter größer ist als der rechte.« Er seufzte
resigniert.
Kassandra lachte auf. »Diskutier eben mit. Ohne Fleiß
kein Preis. Hab ich recht?«, fragte sie Paul,
der sich wieder zu ihnen gesellt und Jonas’ letzte Sätze
mitbekommen hatte.
Jonas wartete dessen Antwort nicht ab. »Vielleicht sollte Paul das
übernehmen. Der weiß wenigstens, wovon er spricht.«
»Besten Dank«, sagte Paul. »Ich glaub nicht, dass ich Experte für
Brustvergrößerungen bin.«
Kassandra prustete los, und Paul fiel mit ein, während Jonas
gespielt beleidigt danebenstand. »Na, ich vielleicht? Ich bin überhaupt kein
sehr glaubwürdiger Kunstinteressierter. Paul, bring mir in einem Schnellkurs
bei, was ich brauche, um bei der verehrten Bildhauerin zu punkten.«
»Da sehe ich schwarz. Dir Kunst nahezubringen, Jonas, dürfte ein
Ding der Unmöglichkeit sein«, spöttelte Paul. »Lass lieber deinen Charme
spielen, davon hast du ja reichlich.«
»Ob der ausreicht, um die Bodenstedt auszuquetschen?« Jonas stöhnte
theatralisch. »Ich würde ja gern mit ihr über diesen Riesenfisch reden, aber
ich weiß nicht mal, woraus die Schuppen bestehen.«
»Emaille. Eine anorganische, glasartige Masse, die bei sehr hohen Temperaturen auf Metall aufgeschmolzen wird und damit eine
feste, fast unlösbare Verbindung eingeht. Bei Tinas Fisch dienten als
Trägermaterial Kupfer, Silber, Gold und Glas.«
Für ein, zwei Atemzüge stand die Zeit still. Kassandra war klar, dass sich eine Frage deutlich auf ihren Gesichtern abzeichnete: Wie
lange hatte Kesting da schon gestanden, halb verdeckt von der
Stellwand?
»Freut mich, wenn ich behilflich sein konnte. Falls Sie mehr über
Tinas Stücke wissen wollen – oder über Tina selbst«, hier lächelte Kesting
süffisant, die linke Hand locker in der Hosentasche, in der rechten ein Glas
Weißwein, »stehe ich gern zur Verfügung.« Als niemand antwortete, fuhr er fort:
»Ich finde, wir sollten jetzt mal mit offenen Karten spielen. Sie sind nicht
hier, weil Sie wahnsinnig neugierig auf meine Bilder oder Tinas Skulpturen sind
– abgesehen von Ihnen vielleicht.« Er sah zu Paul. »Sie scheinen in Ihrem Trio zumindest derjenige mit dem Kunstverstand zu sein. Wir
sind uns noch nicht vorgestellt worden. Ich bin Arnold Kesting.«
»Paul Freese.« Mehr sagte er nicht.
Zwei Sekunden lang maßen sich die beiden Männer wortlos. Schließlich legte Kesting den Kopf schief. »Kann es sein, dass wir uns
schon mal begegnet sind?«
»Daran würde ich mich erinnern.«
»Dann muss ich mich irren.« Kesting wandte sich wieder an Jonas. »Herr Zepplin, Sie haben vorhin viel Wert auf meine Einschätzung
von Josef Kinds Charakter gelegt. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr
komme ich zu der Überzeugung, dass Sie darüber besser Bescheid wissen als ich.
Sie haben auch das Beispiel des Erpressers nicht zufällig gewählt. Sind wir uns
so weit einig?«
Jonas schwieg. Kassandra spürte, wie sich Paul neben ihr anspannte,
aber auch er erwiderte nichts.
»Ich kann mir den integren Josef Kind eigentlich nicht als Erpresser
vorstellen, aber man weiß ja nie, das Leben hält manche Überraschungen bereit.
Weniger würde mich
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