Fischland Mord - Küsten-Krimi
Halogenstrahler
funkelten.
An den Wänden hingen Arnold Kestings Bilder, weite
Landschaften und enge Räume, die Unendlichkeit und Grenzen
symbolisierten, Fotos von Dünen und vom Meer, kunstvoll
weitergemalt. Der Übergang vom Foto zum Gemälde war kaum zu erkennen, was bei
einer Blumenwiese mitten in der Wüste besonders verwirrend wirkte. Vor diesem
Bild blieb Kassandra länger stehen, weil der Gegensatz wie ein Zusammenspiel
wirkte. Sie hatte nicht bemerkt, dass Jonas und Paul weitergegangen waren.
»Gefällt es Ihnen?«
Aus ihren Betrachtungen gerissen, blickte Kassandra
irritiert auf und sah sich Arnold Kesting gegenüber. »Sehr. Wie
haben Sie das gemacht? Diese Wiese scheint in die Wüste zu gehören, als wäre
sie nie woanders gewesen.«
Kesting lächelte. »Danke. Ich weiß nicht, wie ich das mache. Gefühle
kann man nicht erklären, oder?«
»Das stimmt. Aber Sie haben Kunst studiert, Malerei, lernt man da
nicht das Handwerk und die Technik, um exakt dieses Gefühl auszudrücken und
beim Betrachter hervorzurufen?«
»Wenn Sie aufgehen in dem, was Sie gerade tun, in diesem einen
Moment in der Ewigkeit – dann denken Sie nicht an Technik und Handwerk. Sie
fühlen nur, und Ihre Hände sind bloß das zufällige Werkzeug, mit dem Sie
ausdrücken, was Sie fühlen.« Arnold Kestings dunkelbraune Augen wurden fast
schwarz, als er sprach. Er sah sie dabei nicht an, sondern auf das Bild, als
erinnerte er sich an jede Sekunde des Schaffensprozesses, was Kassandra die
Gelegenheit gab, ihn unauffällig zu mustern. Es schien ihm ernst
zu sein mit dem, was er sagte.
»Arnold, hier steckst du.« Gerlinde Meerbusch war zu
ihnen getreten. »Du hast dich offenbar schon selbst mit der
zurzeit interessantesten Bewohnerin des Fischlandes bekannt gemacht.«
Arnold Kesting hob die Brauen. »Also, ich weiß, dass ich sie interessant finde, aber dass gleich das ganze Fischland meine Meinung teilt,
ist mir neu.«
Kassandra wusste nicht, ob sie das als besonders originelles oder besonders plumpes Kompliment verstehen sollte. Sie entschied sich
für amüsant.
»Dann darf ich dir Kassandra Voß vorstellen. In ihrer Pension wurde
die Leiche von Josef Kind gefunden, und sie war mal mit Sven Larsen
verheiratet, falls dir Weitgereistem der Name von zweifelhaften
Lokalgrößen was sagt.«
Eine Sekunde lang hatte Kassandra das Gefühl, als sei Kesting
zusammengezuckt, sie konnte nur nicht sagen, welcher Teil dieser Enthüllung ihn
dazu veranlasst hatte.
»Sicher. Diese Art von Interesse ist aber bestimmt nicht sehr
beneidenswert.« Kestings dunkle Augen ruhten auf Kassandra.
»Wie sich herausgestellt hat, lässt es sich hier als Frau Ex-Larsen
erstaunlich gut leben«, sagte sie zu Gerlinde Meerbusch, die gerade von
jemandem angesprochen wurde und sich entschuldigte. »Das mit der Leiche ist
weit weniger angenehm.«
Kesting nickte. »Armer Teufel, er wird fehlen in der Kunstwelt.
Anscheinend hat er einen Fälscher zu viel entlarvt.«
»Glauben Sie?«
»Das liegt doch nahe. Untersucht die Polizei den Fall nicht in diese
Richtung?«
»Die Polizei ermittelt in alle Richtungen.« Jonas war plötzlich
neben Kassandra aufgetaucht. »Kannten Sie Josef Kind persönlich? Ich frage,
weil Sie ihn eben einen armen Teufel genannt haben.«
Arnold Kesting runzelte die Stirn. »Würden Sie jemanden, der
ermordet wurde, anders bezeichnen, Herr …«
»Zepplin«, sagte Jonas knapp. »Ich würde das vom Charakter des
Opfers abhängig machen.«
»Das heißt, wenn das Opfer ein schlechter Mensch war, ist sein Tod
weniger bedauerlich?«, erkundigte sich Kesting milde.
»Das hab ich nicht behauptet«, widersprach Jonas. »Ich denke nur,
dass ich einen ermordeten … sagen wir mal, einen ermordeten Erpresser nicht
unbedingt einen armen Teufel nennen würde. Mord ist natürlich trotzdem nie
gerechtfertigt.«
Kassandra bemerkte, dass Jonas Kesting fest im Blick
behielt. Falls er jedoch mit einer außergewöhnlichen Reaktion bei
dem Wort Erpresser gerechnet hatte, wurde er enttäuscht.
Kesting lächelte nur. »Verstehe. Da Josef Kinds Charakter
einwandfrei war, darf ich ihn wohl als armen Teufel bezeichnen.«
»Also kannten Sie ihn persönlich?« Jonas blieb hartnäckig.
Kassandra war kurz davor, ihn diskret in die Rippen zu stoßen, damit
er sich weniger auffällig benahm.
Arnold Kesting schüttelte immer noch lächelnd den
Kopf. »Nein. Aber jeder in der Branche wird Ihnen seinen guten
Ruf bestätigen.«
Jonas’ Gesichtsausdruck
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