Fischland Mord - Küsten-Krimi
Vergnügen mache. Oder glaubst du ernsthaft, ich
tu es, weil ich ihn wer weiß wie attraktiv finde?«
»Ist er doch, oder?«
»Sei nicht albern. Er sieht gut aus, ja. Und? Meine Knie werden
deshalb nicht weich.« Als Jonas nichts erwiderte, seufzte sie. »Gehen wir
wieder rein?«
»Ich habe für heute genug von der Kunst und mach mich lieber vom
Acker. Willst du noch bleiben, oder kann ich dich nach Hause begleiten?«
»Ich komme mit. Ist Paul noch drin? Was wollte er übrigens vorhin
von dir?«
»Das Letzte, was ich von Paul gesehen habe, war, dass
er sich ausgesprochen angeregt mit Frau Bildhauerin unterhielt.«
Der Gedanke daran heiterte Jonas sichtlich auf. »Davor wollte er mich zurückhalten, mit dir nach draußen zu gehen. Er meinte, dass das bestimmt
schon jemand anders tun würde.«
»Das heißt, er fand die Idee genauso nützlich wie ich?«
»Anscheinend.«
»Paul ist ein sehr kluger Mann.«
Sie schlenderten den einsamen Weg von Barnstorf zurück nach Wustrow.
Der Mond spiegelte sich im Bodden wider, ab und zu hörte man Wasser gluckern.
Vor ihnen erhob sich der beleuchtete Kirchturm.
»Was ist eigentlich mit Paul?«, fragte Kassandra in die Stille
hinein.
»Was soll mit ihm sein?«
»Das weiß ich eben nicht. Ich weiß überhaupt nichts über ihn, außer
dass er derjenige ist, der alles zu wissen und alle zu kennen scheint. Trotzdem
frage ich mich, wie es tief in ihm aussieht. Er kann in
einem Moment sanft und mitfühlend sein – und im nächsten kalt wie
bei Arnold Kesting. Der denkt allen Ernstes, Paul wäre bei der Stasi gewesen.«
Jonas warf ihr einen prüfenden Seitenblick zu, so
lange, dass Kassandra sich gegen ihren Willen zu fragen begann,
was er bedeutete. »Denkst du das auch?«, fragte er schließlich.
»Natürlich nicht. Jonas, was soll das? Ich mag Paul. Sehr.« Sie
verstummte. Es stimmte, was sie sagte, aber da war noch etwas anderes, was sie
nicht greifen konnte. »Sehr«, wiederholte sie. »Wenn du meinst, es geht mich
nichts an, hast du vermutlich recht, aber dann sag’s ganz einfach.«
»Es geht dich nichts an. Falls Paul findet, du solltest was über ihn
wissen, wird er es dir schon sagen. Ich werde nicht hinter seinem Rücken seine
Vergangenheit ausbreiten.«
»Bei meiner Vergangenheit hattest du damit keine Probleme«, stellte
Kassandra maliziös fest.
Jonas antwortete nicht und blieb zugeknöpft, bis sie
vor Kassandras Tür angekommen waren. »Gute Nacht, Kassandra.«
»Gute Nacht.« Bevor sie noch mehr sagen konnte, war Jonas schon
weitergegangen.
10
Am späten Vormittag stand Kassandra am Fenster und betrachtete die Überreste des Mohns, dessen Blüten nur noch wie vertrocknete
Blutstropfen aussahen. Sie drehte Arnold Kestings Visitenkärtchen
zwischen ihren Fingern hin und her und überlegte, ob es klug war, ihn jetzt
schon anzurufen. Sie wollte nicht übereifrig erscheinen. Andererseits verlor er
vielleicht das Interesse, wenn sie zu lange wartete.
Sie gab sich einen Ruck und griff zum Telefon. Kesting war mit ihrem
Vorschlag, abends im Restaurant »Swantewit« zu essen, sofort einverstanden. Es
lag direkt an der Seebrücke, und man hatte einen wunderschönen Ausblick auf die
Sonne und die Wellen, wenn man am richtigen Platz saß. Entsprechend reservierte
Kassandra einen Tisch auf der Terrasse. Danach bemühte sie sich, das Ganze
vorerst aus ihren Gedanken zu streichen, während sie ihrer Arbeit nachging. Nur
hin und wieder warf sie einen Blick hinüber zu Jonas’ Haus, aber sie bekam ihn
den ganzen Tag nicht zu Gesicht. Bevor sie losging, griff sie erneut zum Telefon.
Es konnte nicht schaden, wenn jemand wusste, wo und mit wem sie unterwegs war.
Als Jonas sich nicht meldete, sprach sie auf seine Mailbox, halb froh darüber,
nicht persönlich mit ihm reden zu müssen.
Sie war zu früh an der Seebrücke, wo der alte Bruno wie immer mit seiner Angel am Brückenkopf stand und ihr zunickte. »Alles
klar?«
»Geht so«, gab Kassandra wahrheitsgemäß zurück.
»Immer noch dein Toter, der dir Kummer macht? Oder
dein Nachbar?«
»Welchen meinst du?«, rutschte es Kassandra raus, ehe
ihr bewusst wurde, was sie da sagte.
Bruno legte die Stirn in Falten. »Oha. Na, was den einen angeht,
kann ich bloß sagen, vergiss ihn. Den anderen – da musst du selbst eine Lösung
finden.« Er nickte ihr freundschaftlich zu und widmete sich wieder seiner
Angel.
Das muss ich wohl, dachte Kassandra, während sie zum Restaurant
ging.
Das »Swantewit« war nach dem
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