Fischland-Rache
Beerdigung nicht direkt verlassen?«, fragte Paul, ohne auf Meisners letzte Bemerkung einzugehen.
»Weil ich noch was zu erledigen hatte.«
»Du bist bei Steffen gewesen.«
Meisner nickte. »Willst du sonst noch was wissen?«, fragte er sarkastisch.
»Eine Kleinigkeit. Du warst vierzehn, als Heinz geheiratet hat«, sagte Paul scheinbar zusammenhanglos. »Ich hab gehört, du hast auf seiner Hochzeitsfeier in die Klaviertasten gehauen. War bestimmt ein nettes zusätzliches Taschengeld für einen Schüler. WeiÃt du noch, wann das war?«
»11. September 1976«, antwortete Meisner wie aus der Pistole geschossen. »Was soll das?«
»Nichts. Vergiss es.« Paul stand auf, ging zu Clemens und streckte ihm die Hand hin. »Es tut mir leid. Wir sind zu weit gegangen.«
Verdutzt sah Meisner zu ihm hoch. »Du glaubst mir? Einfach so? Warum?«
»Weil du hier bist.« Nach wie vor hielt er ihm seine Hand hin, die Clemens Meisner zögernd ergriff.
»Du glaubst ihm wirklich«, stellte Kassandra fest, nachdem Meisner gegangen war, der anscheinend immer noch nicht fassen konnte, dass sich das Blatt gewendet hatte. Was ihr ähnlich ging.
»Du nicht?«
Es fiel ihr schwer, das einzugestehen, aber sie musste ihm zustimmen. »Doch. Es wäre einfach zu sagen, dass Clemens mich mit seiner traurigen Geschichte eingewickelt hat, aber ich hatte wirklich den Eindruck, dass er sich alles von der Seele redet. Heinz hat vorhin von seiner Nase gesprochen â so ähnlich geht es mir jetzt. Etwas allerdings würde ich schon noch gern wissen.«
»Was denn?«
»Die Zahlenkombination des Waffenschranks â übrigens hoffe ich, dass Heinz die endlich geändert hat â, du denkst ja wohl, dass es sein Hochzeitstag war?«
»Ich weià es«, sagte Paul. »Und ehe du fragst: Ich kann dir nicht sagen, woher. Es hat nichts mit dem Mord zu tun, wirklich nicht. Es hat andere Gründe.«
»Manchmal«, sagte Kassandra langsam, »stellst du meine Geduld ganz schön auf die Probe.«
»Ja«, gab Paul lächelnd zu, »aber ich hab dich in einer gewissen Sommernacht auf der Seebrücke rechtzeitig vor mir gewarnt.«
Das stimmte zweifellos und nahm Kassandra den Wind aus den Segeln. Sie erwiderte sein Lächeln, ohne auf eine Erklärung zu bestehen. »Wenn ich trotzdem noch was fragen darf: Warum wolltest du überhaupt wissen, ob Clemens die Kombination hätte kennen können? Du warst doch schon von seiner Unschuld überzeugt.«
»Reine Neugier. Wir hatten so viel spekuliert, dass ich mir das nicht verkneifen konnte«, sagte er.
Kassandra lachte. »Hätte ich selbst drauf kommen können. Wie gehtâs jetzt weiter? Wir sollten auf jeden Fall Dietrich von Clemensâ Geschichte erzählen, obwohl ich fürchte, dass die allein für ihn nicht ausreicht. Selbst wenn er sich damit zufriedengäbe, werden seine Spezialisten bald das Notizbuch entschlüsselt haben und von dieser Seite auf Clemens stoÃen.«
»Aber bis dahin hat er Schonfrist â und wir können die Zeit nutzen.«
22
Bald nachdem sich Paul am Morgen etwas abwesend zum Laufen verabschiedet hatte, machte sich Kassandra auf den Weg in die LindenstraÃe, um das Zimmer für ihre neuen Gäste herzurichten. Als sie den Deich entlangging, sah sie Paul mit Bruno auf einer Bank auf der Seebrücke sitzen und gestenreich debattieren. Bruno schaute in ihre Richtung, sie winkte, er winkte zurück, Paul drehte sich um und bedeutete ihr, zu ihnen zu kommen. Ãber Nacht war es windig, die See unruhig geworden, ab und zu spritzte Gischt von den Wellenbrechern bis hoch zur Brücke, ein Sturm kündigte sich an. Paul war verschwitzt, ihm musste kalt sein, doch davon war ihm nichts anzumerken.
»Was würdest du alles tun, um Kinder zu haben?«, fragte er, kaum dass sie vor ihnen stand.
Ãberrumpelt fehlten ihr einen Augenblick die Worte. Sie sah zu Bruno, der Paul skeptisch betrachtete.
»Das ist nicht ganz â¦Â«, fing er an.
»Deine Meinung kenn ich, Bruno, ich will Kassandras hören.«
»Fragst du wegen Ralf?«, erkundigte sie sich, unsicher, ob sie die Kinderfrage vor Bruno diskutieren wollte.
Pauls Brauen schossen in die Höhe. »Wie kommst du darauf?«
»Weil er sagte, du könntest noch Vater werden. Wir haben nie über Kinder gesprochen â¦Â«
Der
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