Fischland-Rache
ist. Nebenbei, du redest über Mirko, als würdest du ihn näher kennen.«
Paul lächelte. »Sagen wir: ein bisschen.«
»Klar«, sagte Kassandra gespielt resigniert. »Wie konnte ich vergessen, dass du praktisch jeden auf dem Fischland kennst.«
»Na, nicht gerade jeden. Erinnerst du dich, dass ich mal von Ralf Peters erzählt habe, dem Mann, der das Gemälde von Alfred Partikel versteigert hat? Das ist Mirkos Vater.«
Kassandra erinnerte sich allerdings. Auch an das, was Paul über ihn gesagt hatte. »Der Galerist, der nicht dein Freund ist.«
»Richtig. Du hast ein überragendes Gedächtnis. Ich muss in Zukunft aufpassen, was ich sage.«
»Haha«, machte Kassandra.
Paul lachte. »In Ralfs Galerie läuft gerade eine Ausstellung mit Fotografien vom DarÃ, soweit ich weiÃ. Wäre vielleicht was für dich.«
»Klingt interessant. Du willst nicht mitkommen?«
»Nein, danke.«
Da Kassandra wusste, dass er für ihre eigenen Bilder durchaus was übrighatte, musste seine Ablehnung andere Gründe haben. »Ist es schrecklich neugierig, wenn ich frage, warum du Peters nicht magst?«
Paul sah sie von der Seite an. »Sagen wir einfach, er und Sascha hatten mehr gemeinsam als er und ich.«
»HeiÃt, als Mörder käme er nicht in Frage?«
»Ralf?« Dieser Gedanke überraschte Paul offensichtlich, er dachte etwas länger darüber nach. »Man soll niemals nie sagen, aber eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus.«
»Du hast echt keine gute Meinung von dem Mann, was? Mirko gehört also nicht zu den Krähen?«
Paul lächelte wieder. »Nein, der ist schon in Ordnung im GroÃen und Ganzen. Hat sich vor einigen Jahren ein paar ziemliche Dinger geleistet, die seinen Vater sicher zur WeiÃglut getrieben haben, und dreimal sehr unterschiedliche Studiengänge abgebrochen. Wer weiÃ, vielleicht lernt er jetzt ja Koch bei Inga.« Er sah Kassandras Blick und zuckte mit den Schultern. »Entschuldige, aber Mona wusste, mit wem sie sich einlässt. Ich finde Inga sympathisch, nur macht sie nicht unbedingt den Eindruck einer Frau, die sich für ewig binden will.«
Dem konnte Kassandra nicht widersprechen. Sie dachte über Mona nach, bis sie Stralsund erreicht hatten, eine Stadt, mit der Kassandra zwar auch unangenehme Dinge verband, weil sie hier einige Jahre mit ihrem Exmann gelebt hatte, die sie aber trotzdem liebte. Es gab wunderschöne StraÃenzüge mit herrschaftlichen Giebelhäusern, beeindruckende Kirchen und fernab vom Trubel Oasen der Ruhe wie das Johanniskloster mit seinen zwei Höfen, die malerisch umrahmt waren von kleinen bunten Häuschen. Die Gegend, durch die sie jetzt fuhren, hatte weder etwas Malerisches noch etwas Beeindruckendes an sich, im Gegenteil. »Sind wir hier richtig?«, fragte sie verwundert.
»Das Navi sagt Ja. Ich hab vorher nicht in den Stadtplan geguckt.« Paul bog in eine StraÃe ein, in der eine ganze Reihe identisch aussehender, heruntergekommener Wohnblöcke stand. Der Zustand des Kopfsteinpflasters spottete jeglicher Beschreibung. Rumpelnd kam der Wagen vor einem der Blöcke zum Stehen. »Die Nummer da müsste es sein.«
Kassandra hatte sich keine Gedanken darüber gemacht, wie oder wo Sascha Freese wohnte, aber das hier kam ihr für einen Immobilienhai völlig unpassend vor. Paul schien Ãhnliches zu denken. Eine ganze Weile schaute er zu dem Eingang hinüber, ehe er ausstieg.
Mit einem der beiden Schlüssel kamen sie problemlos ins Haus, wo sie die Klingelschilder an den Wohnungstüren absuchten. Auf dem Treppenabsatz zur zweiten Etage blieb Paul so abrupt stehen, dass Kassandra beinah auf ihn geprallt wäre. Die Tür der Wohnung auf der linken Seite war aufgebrochen worden. Sie stand ein paar Zentimeter offen, das Schloss war beschädigt, das Polizeisiegel hing zerrissen am Rahmen. Paul nahm die letzten Stufen, deutete auf das Siegel und sagte leise: »Darum müssen wir uns wohl keine Sorgen mehr machen.«
Vorsichtig stieà er mit der FuÃspitze die Tür etwas weiter auf und lauschte in die Wohnung hinein. Dann bedeutete er Kassandra, hinter ihm zu bleiben, und betrat den düsteren Flur. Sie folgte ihm dicht auf den Fersen und hoffte, dass der Einbrecher längst das Weite gesucht hatte oder wenigstens ihren Herzschlag nicht wummern hören würde.
Zwei der Türen, die vom
Weitere Kostenlose Bücher