Fischland-Rache
was übrig lieÃen?«
»Weshalb regen Sie sich so auf?«, fragte Kassandra ebenso spöttisch. »Wir nehmen Ihnen nichts weg, Sie haben doch schon Ihren Täter.«
»Ach, Blödsinn.« Dietrich wollte noch etwas sagen, da schien ihn ein heftiger Schmerz zu durchzucken. Er schwankte kurz und hielt sich mit der rechten Hand an der Wand fest. Unwillkürlich machte Kassandra einen Schritt auf ihn zu, doch ein einziger Blick Dietrichs hielt sie von weiteren Aktionen ab. »Ich glaube genauso wenig wie Sie, dass Ihr Onkel Sascha Freese umgebracht hat«, sagte er schlieÃlich zu ihrer grenzenlosen Ãberraschung mit zusammengebissenen Zähnen. »Ich bin noch mal hier, weil ich hoffte, ich würde etwas finden, was das untermauert. Etwas, was wir bisher übersehen haben â obwohl diese Wohnung von uns gründlich auf den Kopf gestellt wurde.« Er wandte sich an Paul. »Jetzt machen Sie schon weiter. Vielleicht haben Sie ja wirklich mehr Glück als wir.«
Paul schüttelte den Kopf. »Sie wären eine äuÃerst interessante Romanfigur, Herr Dietrich. Man weià nie, wie man mit Ihnen dran ist.«
»Dann sollten Sie sich ranhalten, bevor ichâs mir wieder anders überlege. Nehmen Sie die.« Dietrich holte ein paar dünne Einmalhandschuhe hervor.
»Weshalb haben Sie Heinz festgenommen, wenn Sie nicht glauben, dass er es war?«, wollte Kassandra wissen.
Dietrich lieà Paul nicht aus den Augen, der die Handschuhe überstreifte und zielstrebig auf den Spiegel zutrat. »Weil wir die Beweismittel gegen ihn nicht ignorieren können.«
»Welche Beweismittel?«
Dietrich zog eine Grimasse. »Sie erwarten hoffentlich nicht, dass ich Interna ausplaudere.«
»Was Sie hier gerade tun, wird Ihre Vorgesetzten auch nicht unbedingt begeistern, wenn es rauskommt«, mokierte sich Kassandra.
Paul hatte inzwischen den Spiegel abgenommen und tastete sorgfältig die Rückseite des ungewöhnlich breiten und tiefen Rahmens ab.
»Stimmt«, gab Dietrich zu. »Ich sollte wohl davon ausgehen, dass ich kein zweites Mal dafür befördert werde, gegen sämtliche Dienstvorschriften zu verstoÃen. Im Gegenteil. Das kann mindestens ein Disziplinarverfahren nach sich ziehen, im schlimmsten Fall verliere ich meinen Job und kriege einen Strafprozess an den Hals.«
»Von uns erfährtâs niemand«, sagte Paul. »Haben Sie noch ein Paar Handschuhe? Ich könnte Hilfe brauchen.«
»Nein, tut mir leid, ich konnte nicht ahnen, dass ich die Familie des Opfers gleich mit ausrüsten muss. Oder vielleicht konnte ich es doch ahnen, ich hab es nur verdrängt.«
Paul zog eine Grimasse. »Das wirdâs sein. Wenn schon keine Handschuhe, dann vielleicht wenigstens ein Taschenmesser?«
»Was haben Sie vor?«, fragte Dietrich. »Wenn Sie den Spiegel zerbrechen â¦Â«
»Ich werde versuchen, das zu vermeiden.« Paul nahm Dietrichs Taschenmesser entgegen.
Vorübergehend vergaà Kassandra die Beweismittel gegen Heinz und verfolgte mit Dietrich gespannt, wie Paul ein paar winzige Schrauben am Rahmen aufzudrehen begann.
»Ein doppelter Rahmen«, sagte sie, als er die rückwärtigen Leisten löste. »Woher wusstest du das?«
»Wusste ich nicht. Aber der Spiegel und die Schallplatten sind in dieser Wohnung das Einzige, was überhaupt auf Sascha hinweist. Er fand Spiegel immer faszinierend, weil sie zwar das ÃuÃere eines Menschen zeigen, das Innere aber verbergen. Sogar vor einem selbst.« Paul lehnte den hinteren Teil des Rahmens gegen die Wand und fuhr mit der Hand durch den entstandenen Hohlraum. Kurz darauf förderte er ein abgegriffenes Notizbuch zutage, das er auf den FuÃboden legte. AnschlieÃend machte er sich daran, den Rahmen in den ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen und den Spiegel wieder an seinen Platz zu hängen.
Kassandra sah Dietrich an, dass er sich am liebsten sofort auf das Buch gestürzt hätte, aber er musste auf die Handschuhe warten. Als Paul sie abstreifte, bemerkte Kassandra, dass seine Hände leicht zitterten. Sie fragte sich, ob Dietrich das ebenfalls wahrnahm â wie auch die Tatsache, dass Paul sich unwohl zu fühlen schien und einen Schritt zurücktrat, nachdem Dietrich die Handschuhe übergezogen und das Buch vom Boden aufgehoben hatte. Unauffällig schaute sie zwischen den beiden Männern hin und her
Weitere Kostenlose Bücher