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Fischland-Rache

Fischland-Rache

Titel: Fischland-Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Corinna Kastner
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und sah etwas Merkwürdiges: Dietrich schien Paul mit einem Blick etwas mitteilen zu wollen – und Paul verstand offenbar die Botschaft, ohne dass ein Wort gewechselt wurde.
    Dietrich schlug das Buch auf, blätterte zunehmend befremdet durch die Seiten und hielt es ihnen schließlich an einer beliebigen Stelle aufgeschlagen entgegen. Kassandra erkannte eine wirre Abfolge von Zahlen und Buchstaben, die gänzlich ohne Abstände oder Absätze aufs Papier gebracht worden war. »Verschlüsselt«, sagte Dietrich. »Können Sie das entziffern?«
    Paul trat näher und begutachtete die kleine, akribische Schrift seines Bruders. »Nicht auf Anhieb. Aber ich kann’s versuchen, wenn Sie mir das Buch anvertrauen wollen. Ich weiß in etwa, wie Sascha tickte. Er hat sich schon mit neunzehn für Achim Detjen persönlich gehalten.«
    Â»Für wen?«, fragte Dietrich verständnislos.
    Paul sah ihn prüfend an. »Das war etwas vor Ihrer Zeit. Oder Sie sind nicht in der DDR aufgewachsen.«
    Â»Wie man’s nimmt. Meine Eltern fanden Anfang der achtziger Jahre, der Westen sei zu dekadent und kapitalistisch, und sind hierher ausgewandert.«
    Â»Das war konsequent. Bisschen spät vielleicht«, meinte Paul etwas sarkastisch.
    Â»Kann man sagen. Was hat dieser Achim Detjen denn nun damit zu tun?«
    Â»Im dekadenten Westen wäre er Geheimagent gewesen«, erklärte Paul mit einem halben Lächeln. »Bei uns war er ein unschlagbarer Kundschafter für den Frieden im Auftrag des Ministeriums für Staatssicherheit – in einer Fernsehserie.«
    Â»Mir hat’s gefallen«, sagte Kassandra, ehe ihr klar wurde, was sie da in Anbetracht von Pauls eigenen Erfahrungen mit der Stasi von sich gab.
    Er schien ihr das allerdings nicht übel zu nehmen, sondern bemerkte sichtlich erheitert: »Dir? Du warst nicht mal geboren, als das zum ersten Mal ausgestrahlt wurde.«
    Â»Na und? Es gibt da diese neumodische Erfindung, nennt sich DVD , weißt du? Übrigens, dein Grübchen ist dem von Herrn Detjen sehr ähnlich.« Sie tippte mit ihrem Zeigefinger an sein Kinn.
    Amüsiert schüttelte Dietrich den Kopf und blickte auf das Buch, das er eine Weile zwischen den Händen drehte, ohne etwas zu sagen. Schließlich gab er sich einen Ruck. Er sah zu Paul. »Versuchen Sie’s. Was mich betrifft, ich hab das Ding offiziell nie gesehen.«
    Â»Donnerwetter«, sagte Kassandra. »Wer hat mir noch vor ein paar Monaten Vorträge über die Unterschlagung von Beweismitteln gehalten?«
    Â»Daran müssen Sie mich nicht erinnern, ich weiß, was ich gesagt habe. Ich behaupte auch nicht, dass es korrekt ist, was ich tue. Nur ändern sich eben manchmal die Begleitumstände.« Dietrich hielt Paul das Buch hin. »Gehen wir einfach davon aus, dass Sie das schon jahrelang haben. Sieht ja nicht gerade neu aus und hat möglicherweise gar nichts mit dem Mord an Ihrem Bruder zu tun.«
    Paul nahm das Buch und nickte. »Danke«, sagte er, und Kassandra war sich nicht sicher, ob er das Buch meinte oder etwas ganz anderes.
    Â»Jetzt verschwinden Sie«, sagte Dietrich. »Wird Zeit, dass ich die Kollegen rufe, und wenn die kommen, sollten Sie nicht mehr hier sein.«
    Â»Was ist mit den Beweisen gegen Heinz? Ich würde gern wissen …«, fing Kassandra an.
    Â»Kennen Sie Schloss Münkwitz?«, fiel ihr Dietrich ins Wort.
    Verdutzt nickte sie. Früher war sie mit ihrem Exmann öfter in dem Hotel-Restaurant gewesen, das ein paar Kilometer von Stralsund entfernt lag. Es hatte eine sehr wechselhafte Geschichte hinter sich, war dann aber vor einigen Jahren von der Familie der ursprünglichen Besitzer zurückgekauft worden.
    Â»Treffen wir uns da heute Abend. Ich lege nämlich keinen Wert darauf, mitten am Tag in trauter Dreisamkeit mit Ihnen gesehen zu werden, solange die Ermittlungen laufen.«

6
    Kassandra brannten eine Menge Fragen unter den Nägeln, doch sie stellte keine davon, während sie den Rest des Tages in Stralsund verbrachten, weil es sich nicht lohnte, zwischendurch nach Hause zu fahren. Es war zu kalt, um die ganze Zeit draußen zu bleiben, deshalb kauften sie Eintrittskarten für das Ozeaneum am Hafen und wanderten an den großen Nord- und Ostsee-Aquarien vorbei, durchquerten den gläsernen Tunnel, über ihnen die Fische, die silbrig durchs Wasser glitten, und ließen sich zum

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