Fischland-Rache
Schwierigkeiten habe, mir die Namen zu merken.« Das hätte herablassend klingen können, tat es aber erstaunlicherweise nicht.
»Kein Problem. Thomas Hartmann war so nett, mir Ihre Nummer zu geben. Ich hätte eine Bitte an Sie, auch wenn sie Ihnen vielleicht seltsam vorkommt.«
»Möchten Sie mich für ein Konzert buchen?«, fragte er lachend.
»Das nicht. Allerdings hat es schon was mit Ihrer Anwesenheit zu tun.« Sie erklärte ihm, worum es ging, und wartete gespannt auf seine Reaktion. Die kam erst, nachdem Kassandra schon befürchtet hatte, die Verbindung sei unterbrochen.
»Ich ⦠Sie wollen, dass ich zur Beerdigung von Sascha Freese komme«, sagte er. »Man kann nicht gerade behaupten, dass wir befreundet waren.«
»Ich fürchte, das kann man von niemandem behaupten. Aber ich möchte Frau Freese ersparen, dass ihr das an dem Tag, an dem sie Abschied von ihrem Sohn nehmen muss, so deutlich vor Augen geführt wird. AuÃerdem wird es sie sicher rühren, wenn jemand wie Sie sich die Zeit nimmt.« Das war ihr letzter Köder, wenn er den nicht schluckte, hatte sie keine Chance mehr.
Wieder dauerte es etwas, bis Meisner reagierte. »Ich werde versuchen, das einzurichten«, antwortete er mit einem Seufzer. »Versprechen kann ich nichts. Was hält Paul denn von Ihrer Aktion?«
Bisher hatte sie nicht gelogen, sie wollte es auch weiter vermeiden und baute darauf, dass er zwischen den Zeilen hörte, was er hören sollte. »Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie ihn nicht darauf ansprächen.«
»Verstehe. Dann sehen wir uns eventuell am Donnerstag, und bis dahin grüÃen Sie Paul lieber nicht von mir.«
Sie konnte sein ironisches Lächeln geradezu hören â und nur hoffen, dass er kam.
Am Küchentisch sitzend starrte sie aus dem Fenster in den grauen Novemberhimmel und begann, in Gedanken die Lokalitäten durchzugehen, bei denen sie die Kaffeetafel in Auftrag geben könnte. Mitten in ihre Ãberlegungen hinein klingelte das Telefon, das sie immer noch in der Hand hielt und beinah vor Schreck hätte fallen lassen. Sie entspannte sich, als sie Pauls Namen las.
»Hallo, ich hab gerade mit deinem alten Organisten-Kumpel gesprochen. Er will versuchen zu kommen.«
Paul lachte. »GroÃartig. Ich weià bloà nicht, ob er dem Wort Kumpel zustimmen würde.« Er wurde ernst. »Ich war auch nicht faul, sondern habe im Netz nach Micha gesucht. Hast du eine Ahnung, wie viele Ergebnisse du kriegst, wenn du âºMichael Langeâ¹ googelst? Ãber vierhunderttausend. Im elektronischen Telefonbuch stehen ein paar hundert Einträge, die Langes, die nur mit M. verzeichnet sind, nicht mitgerechnet. Die Nadel im Heuhaufen ist nichts dagegen. Dietrich hat die besseren Möglichkeiten, etwas über seinen Verbleib rauszufinden, also hab ich ihn angerufen und ihm die ganze Sache erklärt. Er sagt, er kümmert sich und gibt Bescheid, vielleicht schon heute Abend, wenn wir Glück haben. Ach ja, und er fragt, ob du was gehört hast wegen der Besuchsgenehmigung für Heinz, die kommt wohl per Post. Ist Felix schon durch?«
Felix Krull war der Postbote. »Ich glaube, ich hab vorhin den Kasten klappern hören. Warte.« Sie legte das Telefon auf den Tisch, ging vor die Tür und öffnete den Briefkasten, aus dem ihr Werbung, eine Rechnung und zwei Briefe von den Justizbehörden Stralsund entgegenfielen. Mit zitternden Fingern riss sie im Gehen den ersten Brief auf, klemmte sich in der Küche das Telefon zwischen Schulter und Kinn und entfaltete mit geschlossenen Augen das Blatt.
»Kassandra? Bist du wieder dran?« Pauls Stimme riss sie aus ihrem schwebenden Zustand.
»Ja.« Sie überwand sich, die Augen zu öffnen und den Brief zu lesen. Erleichtert konstatierte sie, dass es die Genehmigung für Heinz war. »Freitag, zehn Uhr. Das ist eine gefühlte Ewigkeit!«
»Vielleicht wissen wir bis dahin schon genug, um ihn freizubekommen, sodass du ihn gar nicht mehr besuchen musst«, meinte Paul vorsichtig.
»Schön wärâs ja«, murmelte Kassandra. »Ich wollte, ich könnte das glauben.«
»Wir kriegen ihn da raus, Liebes, wenn nicht bis Freitag, dann später. Versprochen.«
»Danke.« Kassandra lächelte ein bisschen und wechselte das Thema. »Ich habe übrigens vorhin überlegt, wo wir das Kaffeetrinken veranstalten
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