Fischland-Rache
davongekommen ist, obwohl die ganze Sache Ihre Idee war. Ihre! Es wäre besser gewesen, Sie hätten sich aus Michas Leben rausgehalten. Deshalb will ich Ihnen nur eins sagen: Es interessiert mich nicht, was für Sie oder sonst jemanden wichtig ist. Was für Micha und uns wichtig war, hat auch niemanden interessiert. Lassen Sie uns in Ruhe.«
Paul lieà das Telefon sinken, nachdem daraus nur noch ein Rauschen zu hören war. »Das war deutlich.«
»Herr Lange klang wie ein alter, verbitterter Mann«, sagte Kassandra. »Er sucht sicher nur jemanden, den er verantwortlich machen kann für das, was passiert ist. Immer noch, nach all den Jahren. Ich fürchte, das heiÃt, dass Michas Leben später nicht wie deins eine gute Wendung genommen hat, sonst wäre sein Vater nicht mehr so aufgebracht. Aber du hast dir nichts vorzuwerfen.«
»AuÃer dass es in der Tat meine Idee war«, meinte Paul bissig.
»Du hast gesagt, ihr hättet alle euren Spaà gehabt. Niemand hat Micha gezwungen mitzumachen, oder?«
»Ohne ihn hätte das alles nicht funktioniert.«
»Das ändert nichts an der Tatsache, dass er freiwillig dabei war.«
»Nein, aber â¦Â«, fing Paul an und gab sich dann geschlagen. »Du kannst so schrecklich logisch sein.«
»Wenn es nötig ist.«
»Ihr Frauen seid ein gerissenes Pack«, sagte Paul, lächelte etwas gequält und erhob sich. »Da ein dritter Anruf bei Herrn Lange zwecklos sein dürfte, bleibt uns nichts anderes übrig, als auf Dietrich zu warten. Inzwischen werde ich mir mal deinen Fisch ansehen. Zander oder Scholle?«
Kassandra merkte, dass Paul im Moment eigentlich nicht der Sinn nach Fisch stand, aber ebenso wie er vorhin bei ihr nicht nachgehakt hatte, lieà sie das Thema Micha vorerst auf sich beruhen. »Ostseedorsch. Soll heute besonders gut sein. â Was?«, fragte sie, als sie sein zweifelndes Gesicht sah.
»Der schmeckt am besten gedünstet. Ist nicht meine Stärke, aber ich mag ja Herausforderungen. Du hoffentlich auch, das Tier hat reichlich Gräten.«
»Du kannst bestimmt phantastisch filetieren«, sagte Kassandra zuversichtlich.
»Wenn ich sage gedünstet, meine ich im Ganzen.« Paul packte den Dorsch aus. »Du hast für eine Brigade eingekauft, nicht nur für zwei Personen! Lass uns Bruno einladen. Wenn Dietrich sich nachher melden sollte, will er wahrscheinlich sowieso mit ihm reden, um zu hören, ob Brunos Nachforschungen von Erfolg gekrönt waren.«
Während sich Paul um den Dorsch kümmerte, telefonierte Kassandra mit Bruno. Er war schon von Paul auf den neuesten Stand gebracht worden, sie brauchte nichts mehr zu erklären â auch nicht, dass sie über die Vergangenheit nun ebenfalls Bescheid wusste. Kurz darauf rief Dietrich an, um ihnen mitzuteilen, dass er Neuigkeiten hätte, ein ausführliches Gespräch aber noch ein paar Stunden warten müsse. Sie verabredeten, später am Abend zu skypen, sobald er Zeit fand.
Etwas an dem, was Dietrich gesagt hatte, lieà Kassandra aufmerken. Etwas über Zeit.
»Wenn Inga für die Mordnacht ein Alibi hat, sind die Recherchen über ihre Vergangenheit im Grunde überflüssig. Sie hätten nur eine sehr persönliche Bedeutung für dich, Paul. Inga könnte Sascha dann gar nicht ermordet haben.«
Paul sah vom Dorsch auf. »Willst du Mona fragen? Oder Mirko?«
»Sehr witzig.« Kassandra seufzte. »Mona würde es ohnehin nicht wissen, die war auf ihrer Jahresfeier der Goldschmiede-Vereinigung. Und generell hast du natürlich recht, es ist zu früh, die Pferde scheu zu machen. Das müsste Dietrich übernehmen, und das kann er nur, wenn es einen konkreten Hinweis gibt, dass Inga was damit zu tun haben könnte. Es gibt so viele Wenns und Abers.« Etwas niedergeschlagen hielt sie ihren Zeigefinger in den Sud, den Paul vorbereitete, und kostete. »Gut«, urteilte sie. »Immerhin etwas, was gut ist heute.«
Bruno stand pünktlich zum Abendessen auf der Matte, schnupperte und nickte anerkennend. »Ich frag mich manchmal, ob ich nicht einen Fehler gemacht habe, dich von deiner Fischbude wegzulocken«, sagte er lachend.
Als hätten sie es verabredet, erwähnten sie beim Essen den Fall mit keinem Wort, sondern genossen nur den Fisch. Die Stunden vergingen ohne einen Anruf von Dietrich, und so begannen Paul und Bruno, über
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