Fish im Trüben
besonders an einem eleganten, wohlhabend aussehenden Typen interessiert, der das »Baria« mit einer Frau und einem Teenager verließ und in einen Audi neuesten Modells stieg, der von einem sehr tough aussehenden Chauffeur gelenkt wurde.
Der Mann war um die Vierzig, wohlgenährt, teuer gekleidet, sein Gesichtsausdruck wurde von dunklen Brillengläsern verdeckt. Seine Frau war klein und exquisit, wenn auch einen Tick zu aufgedonnert, und das Mädchen schlug ihr nach. Der Bulle sagte mir, sein Name sei Nguyen Van Thanh, und er sei der Restaurantbesitzer. Ich fragte, wo Thanh noch mit drinsteckte, aber der Bulle weigerte sich, es mir zu sagen. Ihm war aufgetragen worden, daß er mir auf Wunsch der mächtigen Barbara Brabazon behilflich sein sollte, aber ihm gefiel das nicht. »Das ist vertraulich«, knurrte er.
Ich zog meine eigenen Schlüsse. Selbst wenn Restaurants eine Goldgrube sind, braucht man immer noch eine Menge cha gio, um einen Aufpasser zu engagieren. Es mußte sich um Drogen, Laster, Glücksspiele oder alles auf einmal handeln.
Der Fall begann, mich zu interessieren. Brabazons Verbindung mit dem »Baria« konnte absolut unschuldig sein: Thanh konnte einfach nur eine vietnamesische Verbindung sein, die siebzehn Jahre zurückreichte. Aber was auch immer Thanh in der alten Heimat gewesen war, er war der Abteilung für organisiertes Verbrechen in Australien bekannt, warum also dinierte ein Vorderbänkler der Opposition regelmäßig im Restaurant eines vietnamesischen Gangsters? Zu viele Politiker in New South Wales hatten in letzter Zeit wegen ihres Umgangs mit Kriminellen ins Gräs gebissen, als daß Brabazon sich des Risikos nicht bewußt gewesen sein konnte.
An diesem Nachmittag erhielt ich einen Anruf von einem Sozialarbeiter des Krankenhauses in Westmead. Mr. Tan lag verletzt im Krankenhaus und wünschte, mich zu sehen.
Rickys Kopf war bandagiert, seine Augen blau und sein Gesicht mit Schnitten bedeckt, die durch das Betadine dunkelgelb wurden.
»Scheiße noch mal, was ist passiert?« fragte ich.
»Ich glaube, jemand hatte was dagegen, daß ich Fotos machte. Ein Mann schnappte mich und schlug die Kamera kaputt.«
»Und dein Gesicht.«
»Das wird heilen, Mr. Fish, aber die Kamera hat fünfhundert Dollar gekostet.«
Ein Realist. »Mach keinen Krampf um deine Nikon, Ricky. Die ersetzen wir dir. Wer war der Mann?«
Er sagte, er glaube, es sei Mr. Thanhs Fahrer gewesen. Also kannte er den Namen des Besitzers.
»Die Bullen sind Thanh wegen irgendwas auf der Spur«, sagte ich. »Und für mich sieht das nach organisiertem Verbrechen aus. Was hast du über ihn gehört?«
»Ich habe nur was flüstern hören, Mr. Fish. Diese Männer sind sehr böse. Die Leute wagen nicht, ihre Namen auszusprechen.«
Ich blieb hartnäckig. »Was flüstern sie denn?«
Seine Augen huschten nervös im Zimmer herum. »Heroin«, murmelte er. »Es heißt, daß er Geschäfte mit den Hongkong-Chinesen macht.«
Ich fragte Ricky, ob er irgendwas brauche — Weintrauben, einen Agatha-Christie-Roman oder ein Journalistenlehrbuch? Er versicherte mir, seine Familie würde sich um ihn kümmern. Ich sagte ihm, er solle wegen des Honorars zu mir kommen, wenn er wieder gehen könne. Mir fiel auf, daß er die Dresche überraschend gut wegsteckte, aber ich hielt das für gespielte Tapferkeit.
Die Prügelei bestätigte meinen Verdacht, daß wir es mit einem gefährlichen Verbrecher zu tun hatten, aber was verband ihn und Jack Brabazon?
Die Antwort kam drei Tage später aus einer unerwarteten Ecke — von Barbara Brabazon.
Das Dienstmädchen von Mrs. Brabazon wirkte konfuser als je zuvor, und als sie mich ins Wohnzimmer führte, verstand ich warum. Es schien voller Menschen zu sein, voller Vietnamesen: eine Frau und ein Mädchen, um genau zu sein, und Ricky Tan, der vor Aufregung tanzte — falls man im Sitzen tanzen kann.
Barbara Brabazon segelte ins Zimmer und bot mir Tee an. Ich lehnte ab.
»Ich nehme an, Sie fragen sich, warum Mr. Tan hier ist?« fragte sie.
»Allerdings«, sagte ich und bemerkte, daß Ricky meinem Blick auswich.
»Mr. Tan hat meine Enkelin gefunden«, sagte die alte Dame, und mein Blick schoß zu dem Mädchen hinüber, das mit gefalteten Händen und riesigen Augen steif auf der Couch saß.
»Das ist ihre Enkelin?«
»Ja, Nguyen Thi My. Oder einfach My. Und das ist ihre Mutter, Dinh.«
Sobald wir einander vorgestellt worden waren, wurde mir klar, daß das die Frau und das Mädchen waren, die auf dem Foto mit
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