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Fish im Trüben

Fish im Trüben

Titel: Fish im Trüben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susan Geason
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wußte, und sagte schnippisch: »Ich bin keine von diesen Müttern, die in den Sachen ihrer Kinder herumschnüffeln. Ich lasse ihm sein eigenes Leben.«
    Sie stürmte davon und überließ mir das Herumschnüffeln. Zwischen dem Bett und der Wand fand ich ein verchromtes VW-Zeichen.
    Es schien irgendwie nicht zu dem Jungen zu passen; diese Familie würde eher ihre Seele verpfänden, als ein billiges Auto zu fahren. Es sei denn, Sean holte sich seine Kicks dadurch, daß er gestohlene Autos fuhr.
    Ich folgte Sharon Somers die Treppe hinunter und stieß im Wohnzimmer auf das Paar. »Was meinen Sie?« fragte der Vater des Jungen.
    »Interessiert Sean sich für Autos?«
    Sie sahen sich mit echter Überraschung an.
    »Nein«, sagte Dean. »Er kann natürlich mit dem BMW oder Sharons Accord fahren, aber er ist kein Autonarr. Warum?«
    Ich zeigte ihnen das VW-Zeichen. Sie waren verwirrt, sagten aber, ich könne es mitnehmen. Ich fragte, ob es in Ordnung sei, wenn ich mit den Lehrern und Freunden des Jungen redete; manche Leute machen ihre Familienangelegenheiten nicht gerne allgemein bekannt.
    »Oh, ich denke nicht...«, begann seine Mutter, aber Dean unterbrach sie.
    »Sie können meinetwegen auch mit der Schule reden. Er war da sowieso nicht glücklich, und ich werde ihn nicht wieder dorthin schicken, wenn er nach Hause kommt.«
    Ein Anflug von Zorn rötete Sharons schmale Wangen, verschwand wieder und ließ sie bleich und mit zusammengepreßten Lippen zurück. Da wußte ich, daß die »richtige« Schule ihr viel bedeutete und daß das Nachwirkungen haben würde. Sobald Dean anfing zu telefonieren, um ein Treffen mit Seans Klassenlehrer für mich zu arrangieren, stiefelte sie aus dem Zimmer.
    »Was ist mit seinen Freunden?« fragte ich, bevor ich mich wieder auf die Fahrt in die Stadt machte.
    »Ich weiß nicht. Er ging zur Turramurra High-School, bis er vierzehn war, und da lief er mit einem Jungen rum, aber den habe ich schon ein Jahr oder noch länger nicht mehr gesehen, und ich erinnere mich noch nicht mal an seinen Namen. Ich habe Sean niemals mit einem der Jungs aus Harbourside gesehen; zumindest hat er nie jemanden hierher eingeladen.«
    Mit Dean Somers unglücklichem Mondgesicht im Rückspiegel überließ ich sie ihren Privatangelegenheiten und fuhr auf dem Pacific Highway zurück.
    Ich war neugierig auf Harbourside, seit ich mal mit einem Kunstredakteur zusammengearbeitet hatte, der mir erzählte, er habe einen »perfekten Harbourside-Akzent.«
    Die Schule hockte mißgünstig auf einem von Sydneys besten Plätzen zum Hafen hin und bestand aus den üblichen dunklen, efeuüberwucherten Backsteinen und jeder Menge häßlicher neuer Anbauten aus den Sechzigern und Siebzigern, Zeugnisse für die Einträglichkeit des Privilegs. Eine frostige Frau mittleren Alters, wahrscheinlich die Mutter eines Ex-Schülers, bat mich zu warten, während sie Sean Somers Klassenlehrer aus dem Unterricht rief und mich dabei im Auge behielt, falls ich vielleicht irgendwas von den Schulabzeichen oder Sporttrophäen mitgehen lassen wollte.
    Robert Standish war ein Mittdreißiger mit Ansatz zur Glatze, ein schlaksiger Naturbursche, und wenn ich mich nicht irre, ein sehr diskreter Homosexueller. Zu alt, um sich in Szene zu setzen, zu jung für ein radikales Zölibat. Ich fragte mich kurz, wie es wohl sein mochte, in einer Schule zu unterrichten, deren Schüler ihre Lehrer automatisch als Versager betrachteten.
    Standish schien jedoch keinerlei sichtbare Minderwertigkeitskomplexe zu haben und gab mir umfassend Auskunft. Was er erzählte, überzeugte mich davon, daß Sean zu jenem Bodensatz zählte, der sich in jeder Schule ansammelt, in keinem Fach besonders gut, nicht beliebt. Im späteren Leben kann sich kaum ein Klassenkamerad an sie erinnern, sofern sie nicht Mitglied einer Band wurden und durch Drogenmißbrauch starben oder eine Juristenlaufbahn einschlugen und bei der Unterschlagung von Treuhandfonds für Witwen geschnappt wurden.
    »War er hier glücklich?« fragte ich.
    »Wohl kaum. Für sein Alter war er sehr jung, unreif. Er hat nicht direkt Ärger gemacht, aber er hatte etwas Renitentes an sich. Er wollte hier nicht sein.«
    »Wo wollte er denn sein?«
    »Wahrscheinlich auf irgendeiner staatlichen High-School. Er hat mir immer den Eindruck vermittelt, er empfände das hier als Gefängnis.«
    Diese Metapher gefiel ihm, und er trat sie breit. »Wenn ich es mir richtig überlege, dann verhielt er sich wie ein Musterhäftling, der einen

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