Fish vor die Hunde
herauskommen.
Ich dankte ihr. »Worum geht es eigentlich?« fragte sie, nun wieder ganz Journalistin.
»Er ist der Wirtschaftsprüfer von Chicka Chandler.«
Sie pfiff leise. 1
Nachdem ich Andrew »Sitz!« befohlen hatte, fand ich in den oberen Etagen eines Gebäudes in der teuren New South Head Road Raptors Geschäftsräume. Die Sekretärin, eine typische Matrone mittleren Alters aus dem Ostteil der Stadt mit aschblondem Haar, ängstlichen grauen Augen, einem teuren Kostüm und erstklassigen Beinen, verwehrte mir zunächst den Zutritt, gab aber klein bei, als ich durchblicken ließ, ich würde eine Szene machen.
Raptor saß hinter einem von diesen antiken Schreibtischen aus Zedernholz, die genausoviel kosten wie eine Jahresmiete für mein Büro. Darauf befanden sich eine silberne Schreibtischgarnitur, ein ledergebundener Terminkalender, eine Fotografie seiner Familie und sonst nichts. Entweder hatte er eine besonders exklusive Praxis, oder er mochte es nicht, wenn neugierige Augen seine Korrespondenz verkehrt herum lasen.
An den holzgetäfelten Wänden hingen Stiche mit Jagdszenen aus alten englischen Büchern, und der Teppich war weich, exquisit und offensichtlich aus reiner Wolle. Womit auch immer Raptor sein Geld verdiente, es sprang mehr dabei raus als bei meinem Job.
Der Mann selbst war mittelgroß, dünn, hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht mit einer markanten Nase und glänzende braune Knopfaugen wie ein Teddybär. Sein weiches braunes Haar hatte sich gelichtet und eine ausgedehnte Stirnpartie entstehen lassen. Er war ungefähr fünfundfünfzig. Zu dem gutgeschnittenen dunklen Anzug aus Wollstoff und dem vorschriftsmäßig weißen Hemd wirkte die extravagante, rubinrote Fliege wie ein Schock. Vermutlich hatte irgendeine Freundin ihm gesagt, er sei fade.
Ich stellte mich vor und sagte ihm, ich untersuche die Morde an Paula Prince und Lorraine Lamont. Raptor zuckte nicht mit der Wimper. Das war schon mal verdächtig-
»Was hat das alles mit mir zu tun?« fragte er kühl.
»Vielleicht nichts. Aber beide kannten Chicka Chandler, und der scheint ein Mandant von Ihnen zu sein.«
»Die Namen meiner Mandanten sind vertraulich. Das muß ich Ihnen ja wohl nicht erst sagen.«
»Ich dachte, vielleicht haben Sie ein Interesse, behilflich zu sein.«
»Mr. Fish, ich weiß nichts über Morde oder Mörder. Und wenn ich irgend etwas beizusteuern hätte, würde ich mich damit an die Polizei wenden.«
»Mr. Raptor, ich hatte eigentlich nicht den Eindruck, daß Sie mit der Polizei so besonders eng befreundet sind.«
Seine großen Augen wurden noch kälter. Ohne ein Wort stand er auf, stolzierte über den Teppich, öffnete die Tür und wies mich hinaus.
»Vielen Dank«, sagte ich.
»Keine Ursache.«
Als ich wieder ins »Cosmopolitan« kam, hockte Andrew vertraulich bei einer aufgetakelten Blondine mit harten Zügen, die zuviel Sonne und wahrscheinlich auch zu viele Ehemänner abgekriegt hatte. An den umliegenden Tischen redeten die Leute über Immobilienpreise, Reisen nach Übersee und Eheprobleme. Die Atmosphäre vibrierte von gekünstelten, lautstarken Begrüßungen und gezwungenem Gelächter.
Bevor es mir gelang, Andrew wegzuzerren, verabschiedeten er und die lebenslustige Strohwitwe sich mit der umständlichen Wangenküßchen-Prozedur, für die all jene schwärmen, die auch nur einen Tag auf französischer Erde verbracht haben — zur Not reicht auch Muraroa. Zum ersten Mal seit Tagen wirkte er glücklich und klagte überhaupt nicht über seine Schmerzen und Qualen.
»Wie lief’s bei dir?« fragte er, als wir auf dem Weg zurück in die Stadt waren.
»Hab mir die Zähne ausgebissen. Und du?«
»Da müßtest du erst mal den anderen Typen sehen, hab ich zu ihr gesagt.« Er lachte schallend. »Wie geht’s weiter?«
»Ich brauche Hilfe. Und ich weiß auch ganz genau, wo ich sie kriegen kann.«
Nachdem ich Andrew abgesetzt hatte, machte ich einen Abstecher nach Potts Point in die Victoria Street zum Parkhaus der Marine, wo Lorraine Lamont getötet worden war. In seinen Glanzzeiten standen in Potts Point die Villen von Politikern, Richtern und Geschäftsleuten, aber die riesigen Grundstücke waren nach und nach aufgeteilt worden, um große Reihenwohnhäuser für höhere Angestellte zu errichten.
Obwohl Potts Point auf einem Hügel lag und der Blick auf die City und den Hafen einmalig war, kam es aus der Mode, und bis Anfang der sechziger Jahre waren die meisten Häuser in grausige kleine Wohnungen
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