Fish vor die Hunde
schaufelte mich durch alte Schnürsenkel, Stückchen Bindfaden, zusammengefaltete Papiertüten, Knöpfe, eine Dose scharze Kiwi-Schuhwichse, ein paar Bierdeckel aus längst abgerissenen Kneipen, ein Kochbuch der Land-hauenvereinigung von 1959 und diverse Umschläge voller Quittungen.
Plötzlich kam Andrew aus dem Schlafzimmer gewankt und stöhnte: »Ich halt’s nicht mehr aus. Wenn ich nicht sofort hier rauskomme, muß ich kotzen. Ich wart im Wagen auf dich.«
Ich hielt durch: In dieses Haus wollte ich in meinem ganzen Leben nie mehr zurückkommen müssen. Beim Durchwühlen dicker Bündel von Quittungen — die üblichen Gas-, Strom- und Wasserrechnungen — fiel mir ein Name auf, der hinten auf einen der Umschläge aufgedruckt war: E. Raptor, amtlich zugelassener Wirtschaftsprüfer, darunter eine Adresse in Double Bay.
Mehrmaliges Hupen, unverkennbar der Valiant, unterbrach meine Überlegungen. Es gab Arger. Ich war aus der Tür und im Wagen, bevor ich überhaupt an Flucht hatte denken können, und Andrew startete durch wie eine Patriot-Rakete. Sein Gips behinderte ihn beim Fahren keineswegs. Glücklicherweise war es eine Einbahnstraße und die Polizei ein ganzes Stück weit hinter uns. Wir konnten die Sirene hören, als wir bei Grün an der Hauptstraße angekommen waren.
Bis die Polizei an der Ecke war, hatten wir schon einen guten Vorsprung und waren im dichten Mittagsverkehr untergetaucht.
»Gute Arbeit«, sagte ich, als der Adrenalinstoß langsam verebbte: So ein Streß konnte nicht gesund sein.
»Hab ne Menge Übung.« Ich fragte nicht weiter nach, bat ihn nur, im Bogen zurück nach Double Bay zu fahren.
»Ich hoffe, der ganze Aufriß hat sich gelohnt und du hast was gefunden«, nölte er.
»Chicka hat Briefe von einem teuren Wirtschaftsprüfer in Double Bay erhalten. Was meinst du, wozu braucht wohl ein alter Rentner einen Wirtschaftsprüfer?«
Double Bay, ein exklusiver Stadtteil östlich des Hafens mit schöner Aussicht, vielen Bäumen, in nächster Nähe zur City und zu den Stränden, steckte gerade in einer Identitätskrise. In den Siebzigern war er als Einkaufsgegend groß in Mode gewesen, und die Bewohner von Sydney hatten sich darum gerissen, ihre Lebensersparnisse in Edelboutiquen für importierte Fetzen auf den Kopf zu hauen. Dann hatten andere Stadtteile von Sydney aufgeholt, und viele Ladenbesitzer waren durch die teure Pacht in Schwierigkeiten gekommen. Zur Zeit führte die Handelskammer Verschönerungsmaßnahmen durch, rührte die Werbetrommel für Investoren aus Übersee und versuchte, neues Interesse für den Bezirk herbeizureden.
Wenn die Boutiquen auch zu leiden hatten, die Cafés machten dicke Profite, und in der Bay Street standen wie üblich die Rolls Royces und Mercedes Coupés in zweiter Reihe geparkt. Die Anwohner saßen den ganzen Tag herum, um zu sehen und gesehen zu werden und schlechten Kaffee zu exorbitanten Preisen zu trinken. Andrew kriegte Stielaugen — genau seine Kragenweite. Wahrscheinlich erinnerte es ihn an die Goldküste.
Er fühlte sich sauwohl im mondänen »Cosmopolitan« Café, wo er die tiefgebräunten Damen anglotzte, die in ihren knappen Leinenfummeln und viel zuviel Goldschmuck beim Lunch saßen; ich überließ ihn also seinem Schicksal, suchte mir eine Telefonzelle und rief Harriet Steed an, um sie über einen Wirtschaftsprüfer namens Raptor auszufragen. Sie sagte, sein Name würde häufig genannt, wenn die Leute über kreative Buchführungsmethoden sprachen oder über die Tricks bei der Steuerhinterziehung, die vor zwei Jahren in den Schlagzeilen gewesen waren, bevor die Finanzämter ein paar Schlupflöcher beseitigt hatten. Aber solange es Wirtschaftsprüfer gab, würde es immer wieder neue Schlupflöcher geben.
»Ich glaub aber, er dreht noch ganz andere Sachen«, sagte sie. »Ich bin ziemlich sicher, daß er im großen Stil mit Geldwäscherei zu tun hat. Sein Name wurde im Zusammenhang mit dem Nugan-Hand-Bank-Skandal genannt, aber damals konnte niemand ihm irgendwas Konkretes nachweisen.«
Die Nugan Hand Bank, geführt von einem verrückten, extravaganten Italo-Australier und einem undurchsichtigen Amerikaner, war in den Siebzigern ungeheuer erfolgreich gewesen, dann aber im Zusammenhang mit diversen Beschuldigungen — Geldwäscherei, dunkle Geschäfte mit dem CIA sowie Drogen- und Waffenhandel — pleite gegangen. Nugan hatte sich erschossen, Hand war spurlos verschwunden. Die ganze Wahrheit würde höchstwahrscheinlich niemals
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